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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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Mundwinkel hoch. „Wenn du verstehst?“
    Böhm lächelt. „Verstehe!“
    „Aber im Augenblick wollen wir ihn lieber nicht beneiden.“
    Lembach fährt sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. „So wie es aussieht, liegt der nämlich ziemlich schwarz da drin.“ Er zeigt auf die ehemals weißgetünchten Restwände. „Bongartz begutachtet den gerade und was der zu sagen hat, wird dich nicht freuen! Und was die Feuerwehr sagt und dieser gute Mann hier“, er nickt in Richtung des THW Mitarbeiters, „wird dich noch weniger begeistern.“
    Der Mann vom Technischen Hilfswerk ist mindestens zwei Meter groß und so dürr, dass Böhm befürchtet, er könne, wenn er aus der Balance gerät, durchbrechen. Außerdem sieht er aus, als wäre er gerade erst volljährig geworden. Er spricht auf Böhm herunter.
    „So wie es aussieht ist Brandbeschleuniger zum Einsatz gekommen.“ Er spricht langsam und gut artikuliert, so wie man Kindern im Urlaub die Gefahren des Meeres erklärt.
    „Wahrscheinlich Benzin. Wir müssen noch einige Tests abwarten, aber vom Geruch und von dem Weg, den das Feuer genommen hat, spricht alles für flüssigen Brandbeschleuniger. Wir sind sicher; da sind im ersten Stock literweise brennbare Flüssigkeiten verschüttet worden. Die Brandherde sind eindeutig.“
    Nein, er sagt das völlig normal. Es kommt Böhm nur wie die Belehrung eines Kindes vor, weil der Mann so groß ist. Weil er zu ihm hinaufschauen muss.
    „Können Sie den Zeitpunkt bestimmen? Können Sie feststellen, wann das Feuer ausgebrochen ist?“
    Der Große schaut nachdenklich auf den Boden. „Nein, aber wir können uns an der Brandmeldung orientieren. Mit der Menge von Brandbeschleuniger muss das Feuer sehr schnell weit sichtbar gewesen sein. Beim Eintreffen der Löschzüge war das Haus nicht mehr zu retten. Die Feuerwehr hatte durch den Funkenflug und die enorme Wärmeentwicklung in erster Linie damit zu tun, eine Ausbreitung zu verhindern. Bei diesem Wetter wäre ein Flächenbrand, der den Wald erreicht, eine Katastrophe geworden.“
    Böhm bedankt sich und betritt über Schutt und angebrannte Dachbalken hinweg das ehemalige Haus. Bongartz steht auf einer dicken Holzbohle, die an den Enden auf Steinstufen aufliegt. Das THW hat überall diese Gehwege aus schweren Bohlen verlegt. Die Fliesen des ehemaligen Fußbodens haben sich aus dem Betonbett gelöst und sind zum Teil gebrochen. Neben Bongartz steht ein Mahagonischreibtisch, der selbst jetzt, verkohlt und mit diesem schlierigen Film des Löschpulvers bedeckt, prunkvoll und massiv wirkt. Die Decken zum ersten Stock sind eingebrochen, ebenso wie die darüber und das Dach. Die Sonne brennt erbarmungslos in diese Restzimmer.
    Bongartz gibt Böhm die Hand.
    „Na, dann woll’n wa mal.“ Er balanciert über einen der schmalen Stege und geht dann in die Hocke. Wie ein dicker weißer Ball hockt er zwischen den verkohlten Möbeln und Wänden.
    „Wir müssen sehen, wie wir den da einigermaßen heil rauskriegen.“
    Böhm beugt sich über Bongartz. Auf dem Boden, eingeklemmt unter einem Balken liegt ein Körper. Das Gebälk liegt quer über den Oberschenkeln. Die Bauchdecke ist aufgeplatzt.
    Bongartz steht auf, geht einen Schritt vor zum verbrannten Schädel des Toten und winkt Böhm zu sich.
    „Auf den ersten Blick ein ganz normales Brandopfer, aber sieh dir das mal an.“
    Er zeigt mit der Spitze eines schmalen Metallstiftes, der aussieht wie eine zu kurz geratene Stricknadel, auf den hinteren, linken Teil des Schädeldaches. Ein Loch von der Größe eines Centstücks ist deutlich sichtbar.
    Bongartz blickt zu Böhm auf.
    „Ich kann den hier nur schlecht bewegen, aber das was ich bis jetzt erkennen kann, sagt uns: Der Mann ist aus nächster Nähe erschossen worden.“
    Er pult mit der abgebrochenen Stricknadel vorsichtig an den Rändern der Einschussstelle.
    „Selbstmord war das jedenfalls nicht. Kein Mensch schießt sich selber hinten links ins Schädeldach.“
    Böhm sieht auf den Toten hinunter. Seine Arme liegen dicht neben dem Körper. Durch den Balken, der die Beine optisch abtrennt, scheint die Leiche nur aus dem Torso mit den eng anliegenden Armen zu bestehen. Der Schädel wirkt leicht nach hinten gebeugt, der Kiefer geöffnet, so als wolle er schreien.
    Lembach kommt mit zwei Mitarbeitern, die einen Zinksarg über die Metallstege balancieren.
    „Wenn wir ihn einpacken können, sag Bescheid. Ansonsten kann ich dir gleich sagen, viel zu finden wird hier nicht

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