Morgen komm ich später rein
Star-Architektin Zaha Hadid gestalteten Verwaltungsgebäude des Leipziger BMW-Werks verantwortlich für Raumplanung,
Workflow, kurz: für das hochmoderne Bürokonzept, das der Autobauer hier erstmals realisiert hat. »Wir leben Flexibilisierung«,
sagt Humpal. Zwar gibt es kaum Desksharing – »das ist eher interessant für Firmen mit Außendienstlern« –, also niemand muss
sich jeden morgen einen Schreibtisch suchen. Aber der Arbeitsplatz kann bei Bedarf fast beliebig durchs Gebäude wandern, wenn
neue Team-Konstellationen das erfordern. »Es gibt keine räumlichen Abteilungsgrenzen. Wenn eine Abteilung einer anderen für
ein Projekt zehn Leute leiht, nehmen die Mitarbeiter den Caddy mit ihren Unterlagen, stöpseln das Telefon aus, rollen zehn
Meter weiter und haben dort denselben Schreibtisch wie vorher.«
Das funktioniert nur, weil die Büroeinrichtung komplett demokratisch ist: Der Chef hat denselben Arbeitsplatz wie seine Mitarbeiter.
»Also kein Einzelbüro mit Wurzelholzschreibtisch«, so Humpal, ein Beispiel, bei dem er offensichtlich an die Münchner Zentrale
denkt: »Bei uns ist alles Großraum, auch der Werksleiter sitzt auf der Fläche.« Flexibilität entsteht durch Arbeit in Gruppen,
deren Mitglieder beliebig »geclustert« werden können. Humpal: »Wir können Teams beliebig zusammenstellen und müssen nichts
umbauen.« Die einzigen geschlossenen Büroräume im durchdesignten Zentralgebäude sind etwas mehr als vierzig »Think Tanks«
als Rückzugs- und Besprechungsräume sowie 13 größere Konferenzräume. Humpal: »Anfangs wollte es uns keiner glauben, aber das
reicht für 650 Leute.«
Für ihn spiegelt sich die Firmenphilosophie in der Architektur: Transparenz, Dynamik, Innovation, Kreativität und Kommunikation
sind hier keine abstrakten Begriffe. Das geht so weit, dass die Produktionsstraße durchs Büro führt und alle Mitarbeiter ständig
neue BMWs an der Decke entlang schweben sehen, »damit wir immer sehen, was wir hier eigentlich herstellen«. Das Bürokonzept
hat Humpal zusammen mit Wilhelm Bauer vom Fraunhofer Institut erstellt und dessen Theorien funktionieren hier in der Praxis
ganz vortrefflich: »Ich kann mir zum Beispiel viele Telefonate ersparen, |188| weil ich sehe, ob die Leute frei sind«, so Humpal: »Man redet viel mehr miteinander.« Die Zahl der offiziellen Meetings –
regelmäßiger Nervfaktor in vielen Unternehmen – sank um über 50 Prozent, »wenn nicht noch mehr. Ganz vieles klärt sich informell,
spontan.«
Alle Mitarbeiter – außer den Ingenieuren, die an speziellen CAD-Rechnern arbeiten müssen – haben Laptops, auch Humpal: »Den
nehme ich mit nach Hause, auf die Dienstreise oder an einen anderen Arbeitsplatz.« Gut 20 Prozent der Leute praktizieren Telearbeit.
Das sei häufig ein Extra für Führungskräfte, die am Wochenende noch zu Hause arbeiten wollen. Oder ein Zugeständnis an Mitarbeiter
mit langen Anfahrtswegen. »Wir haben ein großes Einzugsgebiet, einige Kollegen kommen über 80 Kilometer weit her«, so Humpal:
»Die müssen nicht jeden Tag reinkommen.« Und arbeiten dann zum Beispiel montags und freitags zu Hause.
Das sei manchmal geradezu nötig, denn das Großraumbüro habe zwar einen Vorteil: »Viel Kommunikation. Aber auch einen Nachteil:
Viel entbehrliche Kommunikation.« Für konzentrierte Arbeit sei ein Telearbeitsplatz darum durchaus sinnvoll. Der Mitarbeiter
muss seine Abwesenheit in den Kalender eintragen, aber nicht jedes Mal einen Antrag beim Chef stellen: »Das läuft bei uns
über Selbstorganisation.«
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Das Zukunftslabor
Einige der größten und erfolgreichsten deutschen oder in Deutschland ansässigen Konzerne gehören also zu den Vorreitern der
Easy Economy. Sie setzen schon heute auf flexible, offene Bürolösungen, in denen sich Mitarbeiter kreativ austauschen und
spontan projektweise zu Teams zusammenfinden können – wenn sie denn überhaupt im Büro sind. Wie sich derartige moderne Arbeitsumfelder
in Zukunft noch weiter verändern können, ist schon heute in Berlin zu besichtigen.
Der typische Arbeitstag von Hermann Hartenthaler beginnt damit, dass er in den 18. Stock des Hochhauses der Technischen Universität
Berlin fährt, wo die Telekom gemeinsam mit Wissenschaftlern aus aller Welt Innovationen entwickelt, die später als Produkte |189| für uns alle auf den Markt gebracht werden. Oben schaut er auf einen Bildschirm im Flur, der den
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