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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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und verteilt alldorten die Verpackungen seiner Powerriegel und wirft mit leeren Energy-Drink-Dosen um sich. Alles nur, damit der entnervte Stadtmensch seine Arbeitskraft regeneriert und in der » Natur« wieder zu sich findet. Obgleich er sich ja kaum noch verlieren kann, denn die kleine Frau, die im iPad, im iPod oder sonst einem Smartphone wohnt, weiß immer den Weg. Aber schon während man diesen Einspruch gegen die oben so apodiktisch hingeschluderte These aus sich herausblubbern hört, merkt man, wie wenig stichhaltig er ist. Das, was da als » Natur« bezeichnet wurde, ist so natürlich wie ein Hochhaus voller metrosexueller Eventmanager.
    Die » Natur«, der wir uns nähern, wenn wir uns am Wochenende in den Stau in Richtung Naherholung stellen, ist eher ein Garten. Also ein Ort, an dem absichtslos Wachsendes auf Kultur (sprich auf absichtsvoll Gepflanztes) trifft. Und so gesehen ist alles um uns herum gartenartig. Nur, dass die Gärten unterschiedliche Zwecke haben. Auch die Großgärten, in denen die modernen Bauern High-efficiency-Landwirtschaft betreiben, sind nicht das, was wir mit Natur meinen. Wenn wir über die Natur sprechen, dann mischt sich ein ungesagtes Wort kaum hörbar unter den Begriff: unberührt. Unberührt von Menschenhand, Fuß oder Auge.
    Und deswegen kann der Mensch schon aus rein logischen Gründen nicht dorthin zurückkehren. Denn ein Zurückkehren impliziert, dass man vorher irgendwann schon einmal dort war. War aber schon einmal jemand dort, ist der Ort eben nicht mehr unberührt. Das mag jetzt manchem zu rabulistisch erscheinen, doch vielleicht zu Unrecht, denn diese erste vorläufige Definition des Begriffs » Natur« zeigt schon: Eine » unberührte Natur« gibt es längst nicht mehr. Überall war er schon, der clevere Affe mit seinem unstillbaren Eroberungsdrang. Und zumindest mit dem Blick eines Satelliten ist jeder Quadratzentimeter des Planeten berührt worden. Vermessen, bewertet und einer Nutzung zugeführt. Wenn es noch ungenutzte Räume auf der Welt gibt, dann sind es Räume des Übergangs, die unter der Überschrift eines » noch nicht« oder eines » nicht mehr« existieren und ihrer nächsten Nutzung harren. Brach liegende Räume machen gerade Ferien von der menschlichen Emsigkeit. Sie müssen sich von ihrer letzten Nutzung erholen. Wer aber Urlaub braucht, zeigt, dass er eigentlich arbeitet. Schlichtes Existieren ist abgeschafft. Die Welt wird optimiert oder ruiniert. Sie arbeitet. Oder eben – wird bearbeitet, wie man’s nimmt.
    Diese Sichtweise auf die Natur mache die Welt zum » Bestand«, meinte Martin Heidegger. Die Welt wird zum Lagerhaus der Nützlichkeiten für ihre umtriebigen menschlichen Bewohner. Und dadurch, so Heidegger weiter, würde aus dem ehemaligen » Bestellen« der Natur, im Sinne von » pflegen«, ein » Stellen« der Natur im Sinne einer Herausforderung. Also im Sinn von: Komm raus und stell dich, Schwein! Doch in Heideggers Text »Die Technik und die Kehre« stellt sich heraus, dass dieses Stellen der Natur auch den Menschen, der die needful things der Umwelt auf seinen Bestellzettel geschrieben hatte, zum Bestand macht. Der Mensch wird selbst zum Material. Wir sehen eben die Welt um uns herum so, wie wir uns selbst sehen: nützlich, effizient, flexibel, austauschbar und damit im Einzelnen freilich auch verzichtbar. Heidegger benutzt dazu den von ihm eigens » hergestellten« Begriff des » Gestells«. Wir sehen, wenn wir die Welt betrachten, eine Großapparatur der mannigfaltigen Nützlichkeiten. In der Zweckwelt hat jeder Raum ein Preisschild, das seinen Wert und seinen Sinn bezeichnet. Räume sind da zum Leben und Wohnen, zur Energiegewinnung und Nahrungsmittelerzeugung und für den Fun. Unberührtes gibt es nicht mehr. Durch die Wissenschaft ist uns die Welt erklärt worden. Vorher war sie unverständlich und musste mystifiziert werden. Doch nun ist sie erklärbar und handhabbar gemacht. Der Bibelspruch » Macht euch die Erde untertan« in seiner (scheinbar) reinsten Ausprägung. Wir sehen eine Welt voll mit Sinn, voller Zwecke, Pläne. Deswegen, so Heidegger, ist die Welt zum Spiegel geworden, weil wir uns so sehr in sie hineingebaut haben, dass die ursprüngliche Fremdheit einer anscheinend vollständigen Bekanntschaft gewichen ist.
    Dieses » Gestell« ist einmal mehr ein Gedankengebäude, in dem man die Endzeitglocken läuten hören muss, leider ist es umfassend. Es hat kein Außen, da die äußere Welt total in die Welt der Begriffe

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