Morgen letzter Tag!
Kurzem weder bewusst noch besonders wichtig. Sicher, man hatte sich in den letzten Jahrhunderten schon darüber gestritten, ob die Erde im Zentrum des Alls wäre oder doch mehr in der Provinz. Aber das waren fachspezifische Diskussionen einer geistigen Elite, die eigentlich keine besondere Bedeutung für das Leben der meisten hatten. Nur wenn der ein oder andere wegen unzulässig abweichender Meinung über die Welt verbrannt wurde, versammelten sich diese meisten, um dem Schauspiel beizuwohnen. Immerhin gab es noch kein Fernsehen, und das Leben war fad, und ein Scheiterhaufen verbreitet eben auch soziale Wärme. Allgemein kann man sagen: Immer noch war man, wie die Milliarden Jahre zuvor, hauptsächlich mit Morden und Begatten beschäftigt, und die Frage, worauf man nun genau mordete und begattete, interessierte nur Wissenschaftler-Nerds und Geistliche.
Und so blieb es im Wesentlichen bis zu den späten 30 er-Jahren des 2 0 . Jahrhunderts. Doch mit der Erfindung der Kernspaltung wurde die Tatsache, auf einem Planeten zu leben, dann doch nach und nach wichtig für alle. Der ungarische Physiker Leo Szilárd war wohl einer der Ersten, der die Tragweite des Experiments von Otto Hahn, Lise Meitner, Enrico Fermi und anderen richtig einschätzte. Eine Kernspaltung würde zu einer Kettenreaktion führen. Also spaltete man einen Kern, dann würde das Spaltmaterial sich anschicken, weitere Kerne zu spalten. Und da bei jeder Spaltung Energie frei wird, könnte man damit eine Menge Energie freisetzen. Man könnte also, um es unwissenschaftlich auszudrücken, ein enormes Bumsti erzeugen. Faustregel: je mehr Atome, desto Bumsti. Selbstverständlich war klar, dass dafür der Nobelpreis gereicht werden würde, immerhin war Herr Nobel, der Stifter des Preises, selbst durch die Erfindung eines Bumstis reich und berühmt geworden. Doch das neue atomare Bumsti war viel größer als das chemische von Herrn Nobel. Sozusagen ein Megabumsti. Der Preis kam dann tatsächlich auch prompt im Jahre 1944 . Aber das war Herrn Szilárd nicht so wichtig. Denn er war nicht nur Physiker, er war auch ein weitsichtiger, politisch denkender Mann. Also sah er voraus, dass an die Tür desjenigen Physikers, der ein großes Megabumsti erzeugte, oder zumindest die Möglichkeit dazu hätte, alsbald die Herren vom Militär klopfen würden mit der Frage, ob man mit so einer ergiebigen Energiequelle nicht die ein oder andere Stadt vaporisieren könnte. Und da nun aber 1938 in Deutschland die Nazis an der Macht waren, würden sie es sein, die an die Tür der Wissenschaftler klopften, sobald einer von ihnen verstanden hätte, dass eine neue Superbombe machbar ist. Als dann auch noch 1939 der Krieg ausbrach, war Herr Szilárd von der Idee, Hitler und seine muntere Psychopathenbande würden über die mächtigste Waffe der Welt verfügen, gar nicht begeistert. Er ging also deswegen zu dem damals einzigen amtlich beglaubigten Megagenie der westlichen Welt, zu Albert Einstein, und erklärte dem die Situation. Der verstand die Problemlage zügig, wie auch bei einem Genie nicht anders zu erwarten, und schrieb mit Szilárd zusammen einen Brief an Theodore Roosevelt, zu jener Zeit amerikanischer Präsident.
Und nun passiert etwas Skurriles. Einige der bedeutendsten Denker des 20 . Jahrhunderts, erfüllt von kategorischem Imperativ, Goethe und tiefem ernsthaftem Friedensgeist, stiften den Präsidenten der Vereinigten Staaten an, die schrecklichste Vernichtungswaffe aller Zeiten zu bauen. Weil sie berechtigte Angst vor Hitler haben. Hätte der die Atombombe, wäre das schrecklich. Hätte Amerika sie auch, dann hätte man ein Gleichgewicht des Schreckens. Das wäre zwar auch schrecklich, aber wenigstens im Gleichgewicht. Beide Seiten wussten, was so ein Gleichgewicht bedeutet– einen Drahtseilakt, bei dem, wenn einer fällt, alle anderen mitfallen. Nun, wir wissen, wie die Geschichte ausgeht. Noch mehr geistvolle, humanistisch geschulte kluge Männer und Frauen kommen zusammen und basteln in Los Alamos die erste Atombombe. Das Ganze heißt » Manhattan-Projekt«, vermutlich um die Feinde zu verwirren, denn Los Alamos liegt in der Wüste und Manhattan in New York. Als die Nazis dann im Sommer 1945 verloren haben, schreiben Einstein und Szilárd tatsächlich in aller Eile noch einen Brief an den Präsidenten. Sie wollen das Projekt jetzt, kurz vor seiner Vollendung, stoppen. Es stellt sich nämlich rasch heraus, dass in Deutschland an keiner Atombombe geschraubt wurde. Die
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