Morgen letzter Tag!
hab ich vorhin schon bemerkt, als Sie dem Herrn am Nebentisch zugezwinkert haben. Aber es geht mir hier nicht nur um meine Gesundheit, es geht mir auch um den CO 2 -Ausstoß und um das Humane allgemein. Ich esse deswegen kein Fleisch, weil die Tierproduktion unmenschlich ist, weil gewaltige Anbaugebiete für die Tiernahrung bereitgestellt werden müssen, dann aber nicht mehr für Menschen zu Verfügung stehen und so den Hunger in der Welt mehren. Und darum, dass enorme Transportwege sowohl für Fleisch als auch für Gemüse für einen gewaltigen Schadstoffausstoß verantwortlich sind. Deswegen…
Der dicke Mann (sich einmischend): Wenn Sie jetzt nicht bald bestellen, dann sind Sie vor allem für meinen Hunger verantwortlich, weil der Kellner nicht in Küche kommt, um meine Bestellung aufzugeben.
Der Kellner: Ich weiß, dass der Koch heute eben erst Radieschen und Salat auf dem Bio-Markt gekauft hat. Alles frisch… und vom Bauern aus der Umgebung.
Der sehr dünne Mann: Gut, dann eben einen Salat.
Der Keller: Wein dazu? Der ist aus garantiert biologischem Anbau.
Der sehr dünne Mann: Ein Wasser bitte. Ohne Kohlensäure, das greift die Zähne an.
Der Kellner: Sehr gern. ( Er entfernt sich rasch und leicht kopfschüttelnd.)
(Nach kurzer Stille)
Der sehr dicke Mann: Sie wissen schon, dass Sie mich diskriminieren?
Der sehr dünne Mann: Was? Ich? Sie?
Der sehr dicke Mann: Selbstverständlich. Das wissen Sie sehr wohl. Ich denke, deswegen haben Sie sich so ostentativ neben mich gesetzt, obwohl auch noch andere Tische im Garten frei gewesen wären. Sie wollten mich erniedrigen. Mir Schuldgefühle vermitteln mit Ihrer penetranten Gesundheit. Aber mit uns Dicken kann man es ja machen. Auf uns hacken alle herum.
Der sehr dünne Mann: Also, das ist unverschämt. Sie verdrehen ja die Tatsachen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie haben doch von Anfang an mich diskriminiert. Wie Sie hier schon so breit sitzen, als ob das ganze Lokal Ihnen gehörte. Und wie Sie dann mit dem Kellner Blicke ausgetauscht haben… aber ich kenn das ja. Wenn man sich um die Welt sorgt und auf die eigene Gesundheit schaut, wird man in diesem Land immer noch schief angesehen. Sicher, alle sind für den Tierschutz und für den Klimaschutz und für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit und und und… aber machen will keiner was.
Der sehr dicke Mann: Hören Sie sich doch mal selber beim Reden zu. Eine ganze Hasstirade auf Menschen von meinem Schlag. Wir sind nicht nur fett und hässlich, wie uns die Werbung sowieso schon den ganzen Tag einredet. Jetzt sind wir auch noch schlecht fürs Klima, verursachen den Hunger in der Welt und quälen Tiere. Dabei sind Sie und Ihre anorektischen Freunde die wahren Schädlinge der Gesellschaft.
Der sehr dünne Mann: Bitte, ich bin ein Schädling? ( Er ist bleich vor Zorn geworden.) Wer belastet denn das Gesundheitssystem mit seinem Diabetes, mit Gelenkproblemen, Bluthochdruck und was weiß ich noch allem? Das sind doch die Übergewichtigen und die Raucher, die dafür sorgen, dass die Solidargemeinschaft mit ihrem Geld dafür aufkommen muss, dass Einzelne wie Sie ihren Hals nicht vollkriegen können!
Der sehr dicke Mann: Da unterliegen Sie aber einer profunden Desinformation. Tatsächlich hat man kürzlich mal durchgerechnet, wer das Gesundheitssystem mehr kostet, der übergewichtige Raucher oder der körndlgefütterte, ausgedörrte Yogatrainer. Nun, wie Sie bestimmt wissen, kosten wir das Gesundheitssystem am allermeisten in den letzten paar Wochen unseres Lebens, wenn wir an teuren Apparaten hängen und durch den Schlauch atmen. Der übergewichtige Raucher aber stirbt vorher und vor allem plötzlich am Herzinfarkt. Das ist billig. Wohingegen der Gesunde, der stirbt dann eher an Krebs, das zieht sich und zieht sich und zieht sich, weil er ja so gesund ist. Und das kostet und kostet und kostet.
Der sehr dünne Mann: Sehen Sie, so ist das überall. Man wirft mir meine Gesundheit vor.
Der sehr dicke Mann: Das Gegenteil trifft zu. Überall wird Gesundheit von einem gefordert. Aber das ist der blanke Egoismus! Der anständige Mensch stirbt frühzeitig und schafft so Platz für neues Leben.
Der sehr dünne Mann: Jetzt werfen Sie mir bestimmt auch gleich noch vor, dass ich Vegetarier bin.
Der sehr dicke Mann: Ja, freilich. Ich halte den Vegetarismus für eine Perversion. Einen Verrat an der menschlichen Rasse.
Der sehr dünne Mann: Sie sind ja verrückt.
Der sehr dicke Mann: Überhaupt nicht. Da hat sich der
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