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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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Nazis hielten Quantenphysik für jüdisch, und man wollte arische Bomben. Mazel tov. Ein glücklicher Nebeneffekt einer ansonsten mehr als unglücklichen Ideologie. Wären die Nazis nicht so geistesbeschränkt gewesen, wäre das 20 . Jahrhundert wohl noch unerfreulicher geworden.
    Aber Szilárd und Einstein wissen, wenn die Atombombe erst mal gebaut und einsatzbereit ist, dann wird man sie nie wieder los. Der neue Präsident Amerikas aber ist Harry Truman. Roosevelt war unglücklicherweise verstorben, deswegen der Vize nachgerückt. Er lässt die Wissenschaftler nebst Bedenken abblitzen und befiehlt, die Atombombe zu Testzwecken erst mal auf Hiroshima und eine zweite auf Nagasaki abzuwerfen. Zehntausende verdampfen. Hunderttausende sterben an der Strahlenkrankheit und anderen verheerenden Folgen der Bomben. Bis heute. Also alles in allem ein schöner Erfolg. Denn Harry Truman glaubt nun, nicht nur der mächtigste Mann der USA geworden zu sein, sondern auch gleich noch der mächtigste Mann der Welt. Viel mächtiger als Stalin. Für den hatte man die Bomben über Japan eigentlich abgeworfen, nicht um die japanischen Faschisten in die Knie zu zwingen, die waren schon längst besiegt. Doch Stalin lässt sich kaum erschüttern, aus zwei Gründen. Erstens ist ihm Massenmord als Mittel der Politik vertraut, und da denkt er durchaus in Millionenkategorien. (Angeblich stammt von ihm der ebenso berühmte wie berüchtigte wie auch richtige Satz: » Ein Toter ist tragisch. Eine Million Tote sind eine Statistik.«) Mit Hunderttausenden kann man ihn kaum beeindrucken. Außerdem hat er sich wohl von seinen Beratern sagen lassen, dass es nicht lange dauern würde, bis auch die verdienten Wissenschaftler des Volkes im Arbeiter- und Bauernparadies das Atomrätsel geknackt hätten. Also ist Harry Truman nur kurz der mächtigste Mann der Welt. So etwa drei oder vier Jahre. Die Welt ist aber nun erstmals in ihrer Geschichte tatsächlich gefährdet.
    Also gut, nicht die gesamte Erde. Aber erstmals die gesamte Biosphäre. Schon nach wenigen Jahren Rüstungswettlauf hat man genug Bumsti auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs angesammelt, um die Oberfläche des Planeten mehrmals zu sprengen, nachhaltig radioaktiv zu verseuchen und einen nuklearen Winter auszulösen, der wohl 99 Prozent allen Lebens den Garaus machen würde. Das Ganze bekommt dann im Kalten Krieg den klangvollen und grausam klingenden Namen » Overkill«. Somit hatte man also das erste tatsächlich planetenweite politische Problem erschaffen.
    Die Bewohner der Erde mussten lernen, dass sie auf einem – groteskerweise durch zwei gewaltige Machtblöcke geteilten – Planeten zusammenlebten. Und leben mussten. Erst die globale Bedrohung lässt die Erde als relevant erscheinen.
    Um aber nun das Ausmaß dieser historischen Veränderung, die hier stattgefunden hat, in den Blick zu bekommen, hilft uns ein Gedicht von Bert Brecht, das Sie vermutlich im Deutschunterricht durchgenommen haben und das Ihnen deswegen vermutlich verleidet ist. Dabei ist es recht gut.
    Gleichwohl, da Sie es ja vermutlich kennen, zitiere ich nur einen Teil davon, man weiß dann ohnehin gleich, worauf der Autor hinauswill, wenn er die » Fragen eines lesenden Arbeiters« stellt:
    Der junge Alexander eroberte Indien.
    Er allein?
    Cäsar schlug die Gallier.
    Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
    Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war.
    Weinte sonst niemand?
    Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg.
    Wer siegte außer ihm?
    Alles klar. Brecht weist also zu Recht darauf hin, dass die Geschichte eigentlich eine kollektive Angelegenheit ist, die aber oft fälschlicherweise als die Geschichte einzelner, sogenannter großer Männer erzählt wird (die darüber hinaus meist auch noch körperlich eher klein gewesen sind). Während man dazu neigt, die » kleinen Leute« zu vergessen. Die Frage, inwieweit Einzelne den Verlauf der Geschichte beeinflussen oder beeinflusst haben, ist sehr umstritten. Also mit anderen Worten: Rom hätte sich wohl Gallien auch ohne Cäsar einverleibt, vielleicht dann eben zu einem späteren Zeitpunkt. Historische Debakel wie eine gesunkene Flotte wirken sich auf deutlich mehr aus als nur auf die psychische Befindlichkeit eines Königs, desgleichen bedeutet ein Sieg eine Veränderung, die nicht nur den Herrscher, sondern auch das Volk und das politische Gefüge insgesamt modifiziert.
    Abb. 5: Ecce Messias! So sieht der wahre Retter der Menschheit

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