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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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wenigstens zwei, drei Minuten zu gedulden. Danach würde sie die Situation neu beurteilen.
    Kate blickte die Straße hinauf und hinunter. Sehr hübsch. Sehr teuer. Sehr Nord-Oxford. Sie konnte sich gut vorstellen, dass in jedem dieser netten Häuschen Akademikerfamilien wohnten. Kinder lernten in eigenen Zimmern im Obergeschoss für die Schule und parkten ihre Fahrräder in der Garage. Wahrscheinlich war der Fernsehkonsum streng reglementiert, dafür aber drückte man Bücher in wissensdurstige, kleine Hände. Kates lange, etwas vulgär wirkende Ohrringe baumelten, als sie ihren Kopf wieder Olivia Blackets Haus zuwandte.
    Genau in diesem Moment erschien Olivia.
    »Kennen wir uns?«, fragte sie und starrte Kate an, bis diese sich gezwungen sah, nicht mehr nur freundlich zu lächeln, sondern eine Antwort zu geben.
    »Mein Name ist Kate Ivory. Ich hatte Ihnen geschrieben, dass ich heute Nachmittag bei Ihnen vorbeischauen würde.«
    Olivia starrte weiter. »Ich erinnere mich an Ihren Brief. Auch ich habe Ihnen geschrieben und Ihnen mitgeteilt, dass ich Sie nicht empfangen kann.«
    »Tatsächlich? Das verblüfft mich jetzt. Ich habe keinen Brief von Ihnen bekommen.« Kate starrte unverblümt zurück.
    »Fanden Sie es denn nicht merkwürdig, keine Zusage zu erhalten?« Kate zog die Augenbrauen hoch und schickte sich an, eine weitere kreative Version der Wahrheit von sich zu geben, doch Olivia fuhr fort: »Und wenn wir schon dabei sind – wieso tauchen Sie hier bei mir zu Hause auf und nicht im College?«
    Kate zermarterte sich das Hirn auf der Suche nach Antworten auf beide Fragen, die in beiden Fällen sicher nicht überzeugend ausgefallen wären, als sie glücklicherweise unterbrochen wurden. Ein hoch gewachsener Mann tauchte hinter Olivia auf und spähte über ihre Schulter. Er sah aus, als hätte er unter seinem roten Pullover ein Bierfass versteckt.
    »Liebste Olivia, warum um alles in der Welt unterhalten Sie sich hier draußen vor der Haustür? Bitten Sie Ihre nette Freundin doch herein; dann lassen wir Ludo aus der Küche und machen uns miteinander bekannt. Mögen Sie Hunde, junge Frau?«
    Die korrekte, um nicht zu sagen wahrheitsgemäße Antwort auf diese Frage lautete »Ja«, und das sagte Kate auch. Dabei stellte sich heraus, dass diese Antwort ungefähr so wirksam war wie ein »Sesam öffne dich«. Innerhalb von Sekunden befand sich Kate im Inneren von Olivias Haus und musste zu Olivias diebischem Vergnügen so tun, als ob sie sich über die Sympathiekundgebungen eines hellbraunen Muskel- und Fellbergs freute, der weder auf seinen Namen Ludo noch auf irgendein anderes Kommando des dicken Mannes hörte.
    Schließlich erbarmte sich Olivia, lockte Ludo in die Küche zurück und schloss die Tür hinter ihm. Kate folgte ihr ins Wohnzimmer, wohin sich der Dicke bereits zurückgezogen hatte. Dabei merkte sie, dass nur noch einer der Ohrringe gegen ihre Wange baumelte. Den anderen hatte Ludo während seiner stürmischen Begrüßung vermutlich verschluckt.
    »Es ist eigentlich nicht sehr nett von mir, Ludo immer zu Olivia mitzunehmen«, sagte der Koloss und warf bewundernde Blicke auf Kates verbliebenen Ohrring. »Ich glaube, sie ist nicht gerade ein Hundenarr, aber sie passt trotzdem immer auf Ludo auf, wenn ich sie darum bitte.«
    Er winkte Kate neben sich auf ein Sofa, in dessen Polstern sich ein komplettes Regiment hätte verirren können. Vertraulich beugte er sich zu ihr hinüber und tätschelte ihr Knie mit einer so riesengroßen Hand, dass auch ihr halber Oberschenkel darunter verschwand. »Ich bin nämlich ihr Chef«, sagte er augenzwinkernd.
    »Professor Brendan Adams«, stellte Olivia vor. »Brendan, das ist Kate Ivory. Sie schreibt Bücher.« Sie brachte es fertig, gleichzeitig verächtlich dreinzublicken und höhnisch zu grinsen. »Romane, glaube ich. So genannte historische Romane.«
    »Wie schön«, strahlte Brendan Adams. »Verdienen Sie damit viel Geld, Miss Ivory?«
    »Es reicht«, gab Kate zurück und warf Olivia Blacket einen schnellen Blick zu, der ihr mitteilte, dass der letzte Punkt an sie gegangen war. »Nennen Sie mich ruhig Kate«, setzte sie hinzu. Nachdem seine Hand inzwischen ihren Oberschenkel vollständig in Besitz genommen hatte, erschien ihr die Anrede »Miss Ivory« zu förmlich.
    »Liebste Olivia, was halten Sie davon, uns eine gute Tasse Tee zu kochen, während ich mich mit Ihrer charmanten jungen Freundin unterhalte?«
    Eine Hand lag noch immer auf Kates Knie, während die andere

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