Morgen trauert Oxford
damit ich sehen konnte, wie es war und wo sie begraben liegt. Aber Olivia muss dabei gewesen sein. Vielleicht hat sie sich auch nur erkundigt. Jedenfalls war sie nicht so schlecht, wie ich dachte.«
»Schon möglich«, sagte Kate. Vielleicht hatte Angel Recht. Doch sie selbst war nicht so überzeugt.
»Und was hast du mit dem Hammer gemacht?«, fragte Ant.
»Dort gelassen.«
Sie biss sich auf die Lippe und sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Schon gut, Angel«, besänftigte Ant sie. »Wir machen Schluss.«
»Ich nehme an, ihr könnt euch denken, wer Daisy war«, sagte Kate.
»Diese Daisy, war das deine?«, fragte Dime mit unglücklich verzogenem Gesicht.
»Mein Kind«, antwortete Angel. »Meine kleine Tochter.«
»Wir schenken dir eine neue«, sagte Dime.
Angel wandte das Gesicht ab.
»Vielleicht sollte ich jetzt besser gehen«, meinte Kate.
»Ja«, sagte Ant. »Gren kann Ihnen den Weg durch die Hintertür zeigen.«
Gren begleitete sie zurück durch die kleine Gasse bis zur Cornmarket Street. Kate wusste genau, dass die Familie mit Angel in aller Eile zur Vordertür hinaus verschwinden und sie zu ihrem derzeitigen Domizil bringen würde.
Nummer fünf und zwei. In der Straße, die mit einem Dime begann.
Kaum waren Kate und Gren zur Tür hinaus, als Ant auch schon den Laden abschloss.
»Wir müssen hier weg«, sagte er. »Und zwar schnell.«
»Warum?«, fragte Angel. »Wir haben doch hier gut verdient.«
»Wir werden noch viel mehr verdienen«, gab Ant zurück. »Aber nicht hier. Wenn Kate Ivory zu Hause ist, wird sie über alles nachdenken, was sie hier gehört hat. Sie mag deine Freundin sein, solange alles gut geht, aber jetzt steht ihr Typ unter Mordverdacht. Und wenn sie zwischen ihm und dir wählen muss, verlierst du haushoch. Sie wird eine Weile nachdenken – ich gebe ihr maximal zwanzig Minuten. Danach ruft sie die Polizei an und schickt sie hierher.«
»Aber wieso?«, fragte Angel. »Ich habe doch nichts getan!«
»Du bist dort gewesen«, sagte Ant. »Sie hat euch alle dort gesehen, und zwar genau zu der Zeit, als die Frau ermordet wurde.«
»Es war aber doch brechend voll dort«, wandte Coffin ein. »Jeder von denen könnte es gewesen sein. Warum ausgerechnet wir?«
»Weil wir Fremde sind. Wir passen nicht in ihre Welt. Wenn so etwas passiert, denken sie immer lieber an einen von uns als an einen von ihnen. Wir sind anders, und damit sind wir schuldig. Und dann ist da noch etwas. Wo hast du die grüne Jacke her, Angel? Du hattest sie noch nicht, ehe du ins College gegangen bist.«
Angel liefen dicke Tränen über die Wangen.
»Ich habe auch die Puppe gesehen. Sie gehörte dieser Frau, nicht wahr?«
»Sie gehört mir!« Angel verzog die Lippen zu einem Schmollen.
Ant gab es auf. Er ging ins Hinterzimmer und holte ein paar leere Kartons.
»Dime, Coffin und ich packen zusammen und bringen den Krempel zum Hinterausgang. Angel macht sauber. Niemand darf sehen, dass wir je hier waren. Wenn Gren zurückkommt, fährt er den Lieferwagen nach hinten, wir laden auf und hauen ab. In einer halben Stunde sind wir hier raus.«
»Am besten, wir fackeln den Laden ab«, erklärte Gren, als er zurückkehrte und sah, was sie taten. »Dann gibt es wenigstens keine Beweise.«
»Ich zerstöre nicht gern«, erklärte Ant. »Was wir hier machen, reicht durchaus. So schnell werden sie uns nicht finden. Wir wissen ja selbst noch nicht einmal, wo wir als Nächstes hingehen.«
KAPITEL 10
Die Damen in Oxford, sie waren geschäftig …
Will Forrest, The Second Gresyld
K
ate befand sich auf dem Weg nach Garsington. Im Autoradio wurden Lokalnachrichten übertragen.
»Im Fall der in Oxford ermordeten Dozentin erhofft sich die Polizei Aufschluss durch einen Kollegen des Opfers. Man rechnet damit, die Ermittlungen bald abschließen zu können.«
Liam. Jetzt verhörten sie also Liam und hofften, ihn des Mordes an Olivia überführen zu können. Zumindest ließ die Nachricht so etwas vermuten. Sie musste sie aufhalten. Die Familie wusste mehr als jeder andere darüber, was an diesem Nachmittag geschehen war. Doch die Polizei würde nie von der Familie erfahren, wenn sie keinen Hinweis gab.
Kate dachte an Angels blasses, angespanntes Gesicht und an Angels Qual, als sie von Daisys Tod berichtete. Angel hatte ihr vertraut. Sollte sie jetzt die Polizei anrufen und ihr mitteilen, wo die junge Frau zu finden war? Kate überlegte. Einerseits war da Liam mit seiner Untreue und seinen Lügen –
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