Morgen trauert Oxford
die Mordwaffe?«
»Warum wollen Sie das wissen?« Eigentlich hätte sie sich denken können, dass er es ihr nicht sagen würde.
»War es vielleicht ein Hammer?«, fragte sie weiter. Wenn nicht, wären Angel und ihre Freunde aus dem Schneider.
»Ein Hammer entspräche durchaus der Art und Schwere der Verletzungen des Mordopfers.« Nein, sie waren immer noch verdächtig.
»Haben Sie in Olivias Büro einen Hammer gefunden?«
»Nein.«
»Oder irgendeinen anderen Gegenstand, mit dem man sie hätte töten können?«
»Nein. Allerdings glaube ich, dass ihre Büroräume derzeit noch einer genauen Inventur unterzogen werden.« Nun, damit hätte die örtliche Polizei sicher bis Weihnachten alle Hände voll zu tun. Möglicherweise länger.
»Eine Plastiktüte vielleicht?«
»Es wäre ziemlich schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt die genaue Anzahl von Plastiktüten unter den mannigfaltigen Schichten der persönlichen Habe Dr. Blackets anzugeben.«
»Diese besondere Tüte hätte auf dem Schreibtisch gelegen. Und zwar in der obersten Schicht.«
»Ja, dort haben wir eine gefunden.«
»Danke.«
»Ach Kate, ehe Sie auflegen: Wo sind Sie gerade? Sie gehen doch nicht etwa irgendein Risiko ein?« Aha, er war also doch noch ein menschliches Wesen. Beinahe hätte sie daran gezweifelt.
»Sie kennen ja mein Motto, Paul: Jeden Tag ein Risiko!«
Sie konnte nicht anders, sie musste ihn auf den Arm nehmen. Irgendwie fand sie es langweilig, ihm zu erzählen, dass sie auf dem Weg zu einem Professor war und das größte Risiko der kommenden Stunde darin bestand, am Oberschenkel begrapscht zu werden. Sie drückte auf das rote Symbol; ihr Handy piepste leise, und sie steckte es in die Tasche.
Im Grund war Kate Paul dankbar, dass er nicht nach den Gründen für ihre Fragerei gebohrt hatte. Sie wehrte sich noch dagegen, über ihre Gefühle für Liam Ross nachzudenken. Wenn sie sich selbst gegenüber zugab, wie ernst es ihr mit ihm gewesen war, würde sie sich verletzt und abgeschoben vorkommen. Schmerz. Wut. Verzweiflung. Nein, sie bewegte sich lieber im Hier und Jetzt. Und als Erstes würde sie mit dem Professor reden. Vielleicht hatte er etwas gesehen, mit dem man Liams Unschuld beweisen konnte.
Plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Während sie mit Paul telefoniert hatte, verspürte sie die wunderbar warme Empfindung, von der Last einer Verantwortung befreit worden zu sein. Aber auch das war nur eine ihrer dummen Illusionen, dachte sie bitter. Wenn Angel die Wahrheit gesagt und den Hammer tatsächlich in Olivias Büro zurückgelassen hatte, musste jemand anders ihn benutzt und anschließend entsorgt haben. Wer von den vieren mochte es gewesen sein? Und wie hatte er das College unbemerkt verlassen? Immerhin hatte er keine Tüte mehr gehabt, in der er den Hammer hätte verstecken können. Wo war der Hammer jetzt? Und wer hatte die Puppe genommen und sie Angel gegeben?
Kate hatte noch Dimes Stimme im Ohr, als er sagte: »Wir schenken dir eine neue.« Doch Dime war wahrscheinlich nicht intelligent genug, um ins College einzudringen, Olivias Büro zu finden, die Frau zu ermorden und unentdeckt zu entkommen.
Am Abend würde sie Paul noch einmal anrufen; vielleicht hätte er bis dahin die Familie gefunden.
Wer immer Olivia ermordet haben mochte – Liam war es nicht gewesen. Bestimmt nicht. Es sei denn, er hätte schließlich doch keinen Pförtner angerufen, sondern wäre selbst zu Olivia gegangen, hätte dort Angels Hammer genommen und … Bei Licht betrachtet war Oxford wahrscheinlich voll mit Menschen, die Olivia lieber tot als lebendig sahen. Mit ihrer unmöglichen Art hatte sie ganze Heerscharen von Leuten vor den Kopf gestoßen.
Vor Kate lag die lange, gerade Straße nach Garsington. Sie stieg wieder ins Auto, ließ den Motor an und machte sich auf den Weg zu Professor Brendan Adams.
»Kommen Sie rein«, sagte er. Er hatte selbst geöffnet.
Das Haus fühlte sich leer an.
»Ist Ihre Schwester nicht da?«
»Sie ist in den Supermarkt gefahren. Aus irgendeinem Grund bevorzugt sie einen, der zehn Meilen entfernt liegt. Sie wird wohl noch eine Weile unterwegs sein.« Ein leiser Anflug von Angst kribbelte in Kates Rückgrat.
Ein Hund bellte. Ludo. Immerhin war sie nicht ganz allein mit dem Professor.
»Für Tee ist es noch ein wenig früh«, sagte er. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein, danke.«
»Ehe wir hineingehen, hätte ich gerne von Ihnen die Seiten des Ternan-Manuskriptes, die sich noch in Ihrem Besitz
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