Morgen trauert Oxford
grünen Strickmütze; aber vielleicht Dime? »Sie haben nicht zufällig einen jungen Mann mit dunklem Haar, sehr rotem Gesicht und einer schlimmen Akne gesehen?«
»Mehrere«, erklärte Brendan. Das half ihr auch nicht weiter.
»Oder eine junge Frau in einem weißen Kleid?«
»Hübsch?«
»Nicht besonders.«
»Dann dürfte ich sie wohl kaum wahrgenommen haben.«
»Du liebe Zeit, wir sind wirklich keine große Hilfe für Liam. Ich hatte gehofft, wir könnten etwas finden, das die Aufmerksamkeit der Polizei von ihm ablenkt.«
»Warum sollte einer dieser Leute ein Interesse daran haben, Olivia zu töten?«
»Nun ja, da waren immerhin die Ternan-Manuskripte«, sagte Kate. »Sie sind doch ziemlich wertvoll, oder? Und die Zeitung hat ausführlich über Olivias Arbeit daran berichtet.«
»Aber sie wurden nicht gestohlen.« Seine Stimme war seidenweich, doch auf seinen Wangen hatten sich rote Flecke gebildet. Kate dachte an den dicken Aktenordner auf seinem Schreibtisch und die Hast, mit der er ihr die mitgebrachten Seiten aus der Hand gerissen hatte. Sein Gesicht zeigte einen Anflug von Bedrohlichkeit. Sie musste schnell das Thema wechseln. Die Puppe fiel ihr ein. Vielleicht war sie nicht wichtig, aber sie würde sie zumindest von der gefährlichen Klippe der Ternan-Papiere wegführen. »Da gibt es noch etwas«, sagte sie heiter. »Es klingt vielleicht ein bisschen knifflig, aber haben Sie etwas Ungewöhnliches in ihrem Büro bemerkt?« Sie wollte ihm die Puppe erst auf die Nase binden, wenn es unbedingt sein musste. »Oder machen wir es noch komplizierter: Fehlte Ihrer Meinung nach etwas?«
»Fehlte? Was meinen Sie? Sie unterstellen mir ununterbrochen, dass ich etwas aus Olivias Büro entwendet habe. Was sollen diese Anschuldigungen?« Verdammt, er hatte gar nicht bemerkt, dass sie längst bei einem anderen Thema war. Er glaubte, sie spräche noch immer von den Ternan-Manuskripten.
»Immer mit der Ruhe, Brendan. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie in ihren Diensträumen eine Puppe gesehen haben. Das ist alles.«
»Eine Puppe? Meinen Sie etwa diese alberne Puppe auf ihrem Schreibtisch? Machen Sie sich nicht lächerlich. Wir beide wissen doch, worüber Sie in Wirklichkeit sprechen. Sie sind hergekommen, um mich zu beschuldigen. Was wollen Sie? Einen Anteil am Erlös?«
»Ach was! An so etwas habe ich doch nicht das geringste Interesse!« Es gab keine Möglichkeit, schnell aus diesem Stuhl aufzustehen. Die Sitzfläche befand sich fast in Bodenhöhe, und ihre Knie stießen beinahe an ihr Kinn.
»Alle beschuldigen mich des Diebstahl – und Sie jetzt auch. › Fehlte Ihrer Meinung nach etwas?‹ Sie halten sich wohl für sehr scharfsinnig!«
»Du liebe Zeit, da irren Sie sich aber gewaltig! Niemand würde je …«
Brendan griff nach ihrem Arm und zerrte sie aus dem Sessel.
»Wie können Sie es wagen, mich zu beschuldigen? Auch die jungen Leute verhalten sich so, wussten Sie das? Erst bringt man ihnen alles bei, was man weiß, und dann kommen sie mit ihren armseligen kleinen Hausarbeiten und behaupten, alles sei auf ihrem Mist gewachsen. Aber die ganze Arbeit im Fachbereich bleibt an mir hängen. Wenn ich Lust hätte, meinen Namen auf ein Manuskript zu setzen, dann stünde mir dieses Recht zu. Wenn man in meinem Beruf nicht veröffentlicht, ist man geliefert.«
»Das verstehe ich nur allzu gut«, pflichtete Kate ihm bei. »Bei mir ist es genauso. Wenn man nicht veröffentlicht, hat man wohl kaum Grund, sich Schriftsteller zu nennen.«
Was schwätzte sie da für dummes Zeug! Brendan hatte sie aus dem Sessel gezerrt und zog sie hinter sich her quer durch das Zimmer. Sie hatte keine Ahnung, was als Nächstes passieren würde.
»Ludo!«, rief er. Was hatte er vor? Wollte er sie etwa dem Hund zum Fraß vorwerfen?
»Ich will das nicht mehr!«, schäumte Brendan. »Erst diese verrückte Olivia mit ihrer Baby-Besessenheit, und jetzt auch noch Sie! Anschuldigung über Anschuldigung! Ich habe überhaupt nichts gestohlen. Und die Manuskripte standen sowieso mir zu, nicht ihr!«
»Das stimmt doch überhaupt nicht«, verteidigte sich Kate. »Ich beschuldige Sie in keiner Weise. Kein Mensch geht davon aus, dass Sie Olivia etwas weggenommen haben!«
»Warum haben Sie dann gefragt? Wir wissen doch beide, wie sehr Sie hinter dem Manuskript her sind. Sie wollen doch nur schneller sein als ich. Sie wollen vor mir veröffentlichen. Eine Sensation daraus machen. Die Geschichte verdrehen. Ihr seid alle gleich! Alle miteinander!«
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