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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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weniger eng liiert. Wahrscheinlich steht er schon allein deswegen unter Verdacht. So, wie es aussieht, werden wir am ehesten von einem uns sehr nahe stehenden Menschen umgebracht.« Er lächelte Kate an. Ein wölfisches Lächeln, fand sie. Doch glücklicherweise besaß sie keinerlei Ähnlichkeit mit Rotkäppchen.
    »Damit mögen Sie Recht haben, aber auch wenn Liam die ihr am nächsten stehende Person gewesen wäre, glaube ich kaum, dass er sie getötet hat.«
    »Daran, dass er ihr sehr nahe stand, gibt es keinerlei Zweifel. Könnte es sein, dass Sie ihm gegenüber ein wenig voreingenommen sind?«
    »Wenn Sie damit ausdrücken wollen, dass er mich belogen und betrogen und sich mir gegenüber wie ein ausgemachter Schuft benommen hat, dann bin ich wohl in gewisser Weise voreingenommen«, gab Kate zurück. »Trotzdem glaube ich nicht, dass er Olivia umgebracht hat. Es entspricht ganz und gar nicht seinem Naturell, auf Konfrontationskurs zu gehen und mit einem schweren Gegenstand auf einen Menschen einzuschlagen. Eher sagt er zu allem Ja und Amen, verschwindet klammheimlich und geht seiner eigenen Wege. Es ist so gut wie unmöglich, sich mit ihm zu streiten. Man legt ihm ein äußerst durchschlagendes Argument dar, und wenn man aufblickt, ist er weg. Dann kann es passieren, dass er eine Woche später anruft, aber mit keinem Wort auf den Streit eingeht, sondern einen zu einem Konzert einlädt. Jedem weiteren Versuch, das Thema noch einmal aufzurollen, würde er mit absolutem Unverständnis begegnen.«
    »Oh ja, ich verstehe. Ein unmöglicher Mann. Und was, glauben Sie, könnte ich tun, um ihm zu helfen?« Er beugte sich nach vorn und schenkte Kate eines seiner lüsternen Lächeln aus alten Tagen. »Und natürlich auch Ihnen, Kate.«
    »Sie waren bei Olivia und haben Ludo abgegeben, nachdem ich gegangen war«, sagte Kate. »Ich wüsste gern, ob Sie etwas gesehen oder gehört haben – irgendetwas, das wichtig sein könnte.« Plötzlich lag Gefahr im Raum. Es war wie elektrische Spannung.
    »Was wollen Sie damit andeuten?« Er sprach sehr sanft.
    »Nichts«, wehrte Kate hastig ab. »Ich hatte gehofft, Sie hätten vielleicht etwas gesehen, das Liam entlasten könnte. Auf keinen Fall wollte ich …« Doch in diesem Augenblick fiel ihr ein, dass es nicht besonders klug wäre, Brendan zu erklären, sie hielte ihn nicht für verdächtig. Er würde genau das Gegenteil denken.
    Adams lehnte sich zurück und beobachtete sie genau, als versuche er, die Gedanken hinter ihren Worten zu lesen. »Nun«, sagte er langsam, »kurz bevor ich Sie traf, sah ich Ihren Dr. Ross durch den Hof zu seinem eigenen Treppenaufgang gehen. Ich fand, dass er ziemlich verärgert aussah. Nicht so blasiert wie sonst. Ich dachte mir, dass Olivia wieder einmal scharf geschossen und ihn mitten in seinem Selbstbewusstsein getroffen hatte.«
    Kate überhörte die auf Liam gemünzten Beleidigungen und sagte: »Falls er nicht noch einmal umgekehrt ist, würde ihn das entlasten. Ich nehme an, Olivia lebte noch, als Sie in ihr Büro kamen.« Halt! Was redete sie da? Wieder entstand die kribbelnde Spannung zwischen ihnen.
    »Auf jeden Fall lebte sie noch, als ich ankam«, konterte Brendan trocken. »Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, ob sie auch noch lebte, als ich ging.« Seine verlebten Augen blitzten sie an.
    »Ich glaube kaum, dass ich hier mutterseelenallein im Haus mit Ihnen sitzen würde, wenn ich Zweifel daran hätte«, behauptete Kate und hoffte, dass er es schluckte. Er blickte sie prüfend an, und Kate überlegte, was er wohl denken mochte. »Haben Sie außer Liam und mir noch jemanden gesehen?«
    »An diesem Tag war im College der Teufel los. Im Clifford-Hof drängten sich Massen von Studenten, und zwar unsere eigenen und die von Bartlemas. Aber auch andere. Viele machen sich einen Sport daraus, zum Mourning Ale ins Leicester vorzudringen, obwohl sie keinem der beiden Colleges angehören. Ich habe also jede Menge junger Leute in den unterschiedlichsten Stadien fortgeschrittener Alkoholisierung gesehen – aber ich kannte keinen von ihnen.« Für ein paar Sekunden hatte Kate das Gefühl, sich auf sicherem Boden zu befinden.
    Sie überlegte, ob sie Brendan die Mitglieder der Familie beschreiben sollte, aber es würde sich wohl als sinnloses Unterfangen herausstellen. Ein Großer, Dünner mit dunklem Haar, das er als Pferdeschwanz trug; ein noch Dünnerer mit weißer Haut und hellem Haar; ein Kleiner, Drahtiger mit dichten, braunen Locken und einer

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