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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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beantworten.«
    »Jetzt erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie einer Verbrecherbande, unter denen sich möglicherweise ein Mörder befindet, jede Menge unbequemer Fragen gestellt haben. Wahrscheinlich obendrein noch in einem geschlossenen Raum und ohne Zeugen.«
    »Ungefähr so«, sagte Kate leichthin. »Ich habe es überlebt – wo also liegt Ihr Problem? Aber um auf die wichtigen Themen zurückzukommen: Soviel ich weiß, besaß Olivia eine Baby-Puppe mit einem weißen Häubchen. Sie saß auf dem Schreibtisch. Wahrscheinlich hatte sie sie am selben Tag gekauft, denn normalerweise lässt man so etwas nicht sehr lang im Büro. Man nimmt es mit nach Hause. Vielleicht hat sie die Puppe sogar bei Ant gekauft. Jedenfalls war sie noch da, als ich in ihrem Büro war.«
    »Als Sie was?«
    »Habe ich Ihnen nicht erzählt, dass ich sie in ihrem Büro aufgesucht habe?«
    »Sie wissen sehr genau, dass Sie mir nichts davon gesagt haben.«
    »Oje, es muss mir wohl entfallen sein.«
    »Kate!«
    »Ja, okay, es war am Mordtag.«
    »Ich glaube, das sollten Sie mir näher erklären.«
    »Später. Nehmen Sie noch eine Tasse Tee und schauen Sie nicht so entgeistert drein. Ein Stück Karottenkuchen ist der beste Trost für verstörte Seelen. Wo war ich stehen geblieben?«
    »Die Puppe.«
    »Ach ja, die Puppe. Ich entdeckte sie sofort, als ich ankam. Dann kam Liam und ging wieder, und sie war immer noch da. Ich fragte Brendan Adams, ob er sie ebenfalls gesehen hatte, und nachdem er ziemlich wütend geworden war, weil er glaubte, ich bezichtige ihn des Diebstahls, gab er zu, dass er die Puppe ebenfalls gesehen hatte. Aber Sie selbst beantworteten die gleiche Frage mit nein. Daher glaube ich, dass Olivias Mörder die Puppe mitgenommen und Angel geschenkt hat. Und ich bin sicher, dass es diese Puppe war, die sie unter ihrer Jacke verbarg, als ich sie vor dem College traf.«
    »Das klingt alles sehr unwahrscheinlich.«
    »Kann schon sein. Aber jetzt bin ich mit Karottenkuchen dran, und Sie bringen mich auf den neuesten Stand.«
    »Bei der Durchsuchung von Olivias Haus fanden wir im Schlafzimmer einen Schrank – einen dieser massiven, alten Schränke aus dunklem Holz, die heute wieder modern sind – mit einem kompletten Regal voller Puppen. Elf Stück, um genau zu sein.«
    »Das ist ja seltsam!«
    »Sie sagen es. Sie saßen alle in einer Reihe mit dem Gesicht nach vorn. Es handelte sich ausschließlich um Baby-Puppen. Nicht ein einziges dieser umhergehenden, weinenden oder sprechenden Dinger, und auch keine Barbie-Puppen oder Ähnliches. Und alle trugen weiße Baumwoll-Häubchen.«
    »Sie war geradezu besessen von Babys«, sagte Kate. »Alle Welt hat es bemerkt. Sogar der Professor. Was immer sie tat, sie drehte es so, dass es irgendetwas mit Kindern zu tun hatte.«
    »Frauen!«, knurrte Paul. »Ihr seid doch wirklich alle gleich.« Doch an der Art, wie er sie von der Seite ansah, merkte sie, dass er sie auf den Arm nahm und den Satz nicht ganz ernst meinte.
    »Ich gebe zu, dass Frauen in ihrem Alter – wie alt mag sie gewesen sein? Sechsunddreißig? – sich durchaus Gedanken machen müssen, ob sie vielleicht irgendwann Kinder haben wollen, aber das war ja wohl ein bisschen übertrieben, finden Sie nicht? Also, ich bin schließlich auch über dreißig, aber in meinem Haus werden Sie keine Schränke voller Puppen finden – noch nicht einmal Kuscheltiere.«
    »Aber dafür Bücher«, erwiderte Paul. »Hier gibt es nichts als Bücher. Kein Spielzeug, nur Bücher. Das finde ich auch seltsam.«
    »Eigentlich sollte ich Ihnen nach einem solchen Spruch den letzten Schokoladenkeks streichen. Nein, ich will damit lediglich sagen, dass mehr als nur Biologie dahinter stecken muss. Entweder fühlte sie sich nach Daisys Tod derart schuldig, dass sie versuchte, das tote Kind durch eine Puppe zu ersetzen, oder die Sache hat einen noch viel persönlicheren Hintergrund. Und obwohl ich Olivia nur sehr flüchtig kennen gelernt habe, glaube ich, dass sie einen eigenen Verlust betrauerte. Nicht Angels.«
    Stumm pickten sie die letzten Krümel von ihren Tellern. Kate versuchte, sich an das Gespräch von Liam und Olivia zu erinnern. Sie hatte das Gefühl, dass Liam ihr hätte sagen können, was es mit diesem Puzzle-Teilchen auf sich hatte.
    »Haben Sie Liam Ross schon verhaftet?«, fragte sie Paul.
    »Nein. Er hat sich einen Anwalt genommen und befindet sich auf freiem Fuß.« Etwas weicher fügte er hinzu: »Wir hatten keinen Grund, ihn festzuhalten. Zunächst

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