Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
Vom Netzwerk:
bleiben! Der Anlass dieses Gesprächs ist keiner, über den man scherzen sollte. Es stimmt, als Familienrechtler habe ich oft genug mit Fällen zu tun, die strafrechtlich relevant sind. Geht es um mehr als einfache Körperverletzung, ziehe ich allerdings einen Kollegen hinzu.«
    Er schaute in mein enttäuschtes Gesicht und seufzte. »Okay, wir machen es so: Ich höre mir deine Geschichte an und behandle dich wie einen Mandanten. Wenn ich keinen Rat für dich habe, sage ich dir das ganz offen. Und du akzeptierst das dann bitte.« Er hielt mir die Hand hin. »Deal?«
    Dankbar schlug ich ein.
     
    Wir vereinbarten einen Termin für den nächsten Abend und verabschiedeten uns. Auf dem Weg zu Zeckes Wohnung kauften wir Bier, Chips und Schokolade.
    »Ist das denn erlaubt?«, fragte ich.
    »Was?«
    »Na, dass du Leute mit in die Klinik nimmst. Und sie mit deinen Patienten reden lässt.«
    Zecke grinste. »Der Doc hat noch Schulden bei mir, um es mal so auszudrücken.«
    Ich sah ihn fragend an, doch eine Erklärung folgte nicht. Erst fuhr er fort. »Klar muss ich Bescheid geben, und der diensthabende Arzt muss einverstanden sein. Heimlich kannst du in einer Psychiatrie ohnehin nichts tun.«
    »Was fehlt ihm denn?«, wollte ich wissen.
    »Er leidet an Depressionen und leichten Psychosen. Ein klassischer Fall von steiler Karriere, bei der der Mensch auf der Strecke blieb«, seufzte Zecke. »Er stand eines Tages auf einer Brücke und wusste nicht, ob er der Stimme in seinem Kopf folgen oder den Termin beim Familiengericht wahrnehmen sollte.«
    Ich überlegte. Stimmen im Kopf? »Ist er in der Lage, meinen Fall zu behandeln?«
    Zecke blieb stehen. »Er ist psychisch krank, nicht dumm. Das solltest du nicht verwechseln. Tom ist supergescheit, leider übernimmt er sich regelmäßig. Sein Intellekt will Höchstleistungen vollbringen, seine Seele kann nicht Schritt halten.«
    Wir gingen weiter. »Es ist medikamentös eingestellt, hatte länger keinen Schub mehr. Seit einigen Wochen kümmert er sich um die rechtlichen Fragen von ein, zwei Mitpatienten, du bist also kein Einzelfall. Er fährt mit seinem Psychotherapeuten in die Stadt, um herauszufinden, was ihn belastet und lernt, mit Stress umzugehen.« Er warf mir einen Blick zu. »Außerdem ist er auf eigenen Wunsch bei uns. Er kann gehen, wann immer er möchte.«
    Ich nickte. »Verstanden.«
     
    Er hatte einen Schreibblock auf dem zerkratzten Resopaltisch vor sich; ein teurer Kugelschreiber lag dekorativ auf dem linierten Papier. Rechts oben las ich das heutige Datum und meinen Namen.
    Ich solle erzählen, forderte er mich auf, legte die Unterarme auf den Tisch und faltete die Hände. Seine Augen blickten wach und neugierig. Wie ein psychisch Kranker sah er nicht aus, dachte ich.
    Ich begann zu reden. Kreuzte durch mein Leben, verirrte mich in Details, korrigierte, sprang vor und zurück. Aus dem, was eine Stunde aus mir sprudelte, würde kein noch so begabter Anwalt einen sinnvollen Zusammenhang herstellen können, das war mir klar, als ich zuletzt schwieg. Ich starrte zu Boden, fühlte mich schmutzig und leer.
    Tom, dessen Nachnamen ich noch immer nicht kannte, hatte mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Nun griff er nach seinem Stift und begann, Kreise auf den Block zu zeichnen. Sie wurden zu Spiralen, immer enger, bis schließlich der Mittelpunkt erreicht war.
    Dann sah er mich an. »Juristen fragen grundsätzlich nach Motiv und Gelegenheit. Gelegenheiten, deine Mutter zu töten, hattest du zu jeder Zeit. Diesen Punkt können wir also abhaken. Ich kann allerdings kein Motiv erkennen. Dass dich deine Mutter dominiert, aus dir einen Waschlappen gemacht hat, halte ich für nicht ausreichend. Ob du eine psychische Störung hast, bei der eines Tages der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt, weiß ich natürlich nicht. Gefühlsmäßig behaupte ich, dass bei dir das Fass ohnehin viel zu groß für einen einzelnen Menschen war.«
    Ich warf einen hilflosen Blick zu Zecke, der sich jedoch auf Tom konzentrierte und zustimmend nickte.
    »Als Dein Verteidiger würde ich versuchen herauszufinden, was an diesem Abend geschehen ist. Es kann nur Totschlag im Affekt gewesen sein, denn von Heimtücke oder Planung, wie sie bei Mord vorliegen müssten, ist weit und breit nichts zu erkennen. Also ein Ausraster.«
    Er kritzelte erneut, diesmal Quadrate.
    »Dass du deine Mutter im Moor versenkt hast, ist natürlich heftig, die Vertuschung einer Straftat stellt mit der Tat

Weitere Kostenlose Bücher