Morgengrauen
Kollegin Claudias. Allzu stressresistent war die wohl nicht … Hinter der Fassade der Karrierefrau bröckelte es. Sie war vier Wochen stationär da. Weil sie aber Angst hatte, es könnte bekannt werden, hatte sie Urlaub eingereicht …«
»Interessant«, kommentierte Hubertus. »Das hätte ja vielleicht sogar für einen Selbstmord sprechen können.«
»Hätte«, sagte Klaus nach einer kurzen Unterbrechung. »Aber es war ja keiner. Es könnte auch dafür sprechen, dass Heimburger mit den Frauenmorden etwas zu tun hat. Der war ja schließlich auch im Rottenmünster und könnte Claudia gekannt haben. Und über sie wiederum Verena.«
Noch ein Kurvenmanöver, und schon war Klaus auf den gut gefüllten Parkplatz des Aquasol gefahren. Das Bad war ein sehr beliebtes Ziel – sogar bei der momentan vorherrschenden Hitze.
Klaus hielt nicht viel davon, sich ganz konventionell einen der wenigen freien Stellplätze zu suchen. Vielmehr steuerte er direkt und verbotenerweise über den Fußweg das Foyer des Aquasol an.
Kurz vor dem Eingang mit sich automatisch öffnenden gläsernen Schiebetüren kam der Kadett mit quietschenden Reifen zum Stehen. Klaus riss die Türen des Wagens auf, stürmte heraus und schlug sie zu, ohne das Auto abzuschließen. Keine Zeit!
Hubertus fühlte sich wie bei Einsatz in Manhattan – nur dass er statt einer Glatze und eines Lollis Krücken hatte.
Sie hielten nach Edelbert Ausschau, doch von dem war keine Spur.
»Wo haben Sie denn Ihr Badezeug?«, fragte die freundliche ältere Dame am Empfang. Kerstins Bärchentasche hatte Klaus als Tarnung diesmal nicht dabei.
»Äh … die haben unsere Frauen schon mitgenommen. Die sind schon im Bad«, redete Klaus sich heraus.
»Nur Schwimmbad und Sole oder auch Sauna?«, fragte die Dame.
Sie entschieden sich für beides – schließlich wusste man nicht, wo Heimburger steckte.
»Das macht 17 Euro. Sie wissen, dass unser Bad um zweiundzwanzig Uhr schließt?«
Sie nickten artig.
Endlich hatten sie die Drehkreuze hinter sich gelassen und nahmen die Stufen des verglasten Treppenhauses, was für Hubertus angesichts seiner Behinderung mit einiger Mühsal verbunden war. Im oberen Stockwerk befanden sich das Schwimmerbecken, der Saunabereich und die Duschen. Die mussten sie heute ausnahmsweise auslassen. Sie nahmen sich gleich das Sportlerbecken vor, das von künstlichen Palmen umgeben war. Es herrschte reges Getümmel, was die Suche nach Heimburger nicht gerade erleichterte.
»Hallo, Sie, Straßenkleidung ist hier nicht erlaubt«, sprach sie ein Mann mit kurzer Hose, T-Shirt und Sandalen, durchweg in Weiß gehalten, an.
Offenbar der Bademeister. Doch da sie Heimburger gerade im Becken erblickten, beachteten sie ihn nicht weiter. Hummel fackelte trotz seines Handicaps nicht lange, ließ die Krücken fallen und stürzte sich in voller Montur ins Becken. Mit kräftigen, aber ungelenken Kraulzügen schwamm er dem Verdächtigen hinterher. »Hallo!«, rief er Heimburger zu.
Der bemerkte Hummel und ergriff die Flucht. Er nahm den kürzesten Weg zum Beckenrand, zog sich mit seinen muskulösen Armen schnell aus dem Wasser und stürzte in Richtung Ausgang davon. Riesle versuchte ihm den Weg abzuschneiden, kam aber auf dem glitschigen Fliesenboden ins Rutschen. Deshalb schaffte es Heimburger bis ins Treppenhaus, wo zwei weitere Aquasol-Angestellte die Stufen heraufkamen. Der Weg nach unten war versperrt.
Also stürzte er nach oben, wo sich die Solebecken, das Dampfbad und die Solarien befanden.
Riesle nahm als Erster die Verfolgung auf. Hummel, der sich mittlerweile mühsam aus dem Becken gewuchtet hatte, war nun nicht nur humpelnd mit der Verfolgung Heimburgers und Riesles beschäftigt, sondern auch damit, den brüllenden Bademeister abzuschütteln, der sich ausgesprochen hartnäckig an seine Fersen geheftet hatte.
Oben angekommen, stürzte sich Heimburger in einen Schwimmkanal, der zum dampfenden Außenbecken führte. Nun war es auch an Riesle, sich entweder der Kleidung zu entledigen oder sich ohne Umschweife ins fünfunddreißig Grad heiße Solewasser zu begeben. Da Heimburger über das Außenbecken sicher die Möglichkeit hatte zu flüchten, duldete die Angelegenheit keinen Aufschub. Er hechtete mit einem kräftigen Satz in den Kanal, stieß die herunterhängenden Kunststofflappen zur Seite, die als Windstopper dienten, und war kurz darauf im Außenbecken, wo die Badegäste sich an den Beckenrändern mit Massagedüsen und Wasserspeiern verlustierten und
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