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Morgenlied - Roman

Morgenlied - Roman

Titel: Morgenlied - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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sie ein paar Cracker und eine Handvoll Käsewürfel auf den Teller legte. »Du brauchst gar nicht so sauer zu sein.«
    Cybil zog eine Augenbraue hoch. »Warum sollte ich sauer sein?«
    »Ja, eben.«
    Sie lehnte sich gegen die Küchentheke und biss von einem Stück Apfel ab. »Du irrst dich. Ich bin hinuntergegangen, weil ich Tee wollte, nicht weil ich sauer auf dich war. Das Gefühl, das ich tatsächlich empfunden habe, würde dir wahrscheinlich nicht gefallen.«
    »Und das wäre?«
    »Du hast mir leidgetan, weil der Dämon deinen persönlichen Kummer gegen dich ausgespielt hat.«
    »Ich habe keinen persönlichen Kummer.«
    »Ach, hör doch auf.« Sie biss erneut in den Apfelschnitz. »Das macht mich wütend. Du warst auf dem Friedhof. Da ich bezweifle, dass du dort spazieren gehen wolltest, bist du wahrscheinlich zum Grab deiner Mutter gegangen. Und Twisse hat deine Erinnerung an sie besudelt oder es zumindest versucht. Erzähl mir nicht, dass du nicht um deine Mutter trauerst. Ich habe vor Jahren meinen Vater verloren. Dabei war es seine Entscheidung, er wollte sich unbedingt eine Kugel durch den Kopf jagen, aber ich trauere immer noch. Du wolltest nicht darüber reden, also habe ich dich in Ruhe gelassen,
aber dann kommst du mir in die Küche nach und erzählst mir, ich sei sauer auf dich.«
    »Und das bist du ja anscheinend nicht im Geringsten«, erwiderte er trocken.
    »Ich war es jedenfalls nicht«, murmelte sie. Sie aß noch ein Stückchen Apfel. Das Wasser im Kessel begann zu kochen. »Du hast gesagt, sie hätte sehr jung ausgesehen. Wie jung?«
    »Anfang zwanzig, schätze ich. Ich kenne sie eigentlich nur von Fotos. Ich... Scheiße. Scheiße.« Er zog seine Brieftasche heraus und nahm ein kleines Foto aus dem Fach mit seinem Führerschein. »So, so hat sie ausgesehen, genauso, sie hat sogar dasselbe Kleid angehabt.«
    Cybil stellte den Herd ab und trat zu ihm. Sie betrachtete das Foto, das er in der Hand hielt. Sie trug ihre dunklen Haare offen, und ein gelbes Sommerkleid schmiegte sich um ihre schlanke Gestalt. Auf der Hüfte hielt sie einen kleinen Jungen von etwa anderthalb Jahren. Sie lachten beide in die Kamera.
    »Sie war sehr hübsch. Du siehst ihr ähnlich.«
    »Er hat es aus meinem Kopf genommen. Du hast recht gehabt. Ich habe dieses Foto seit Jahren nicht mehr angeschaut. Aber es ist meine deutlichste Erinnerung an sie, weil...«
    »Weil du sie mit dir herumträgst.« Cybil legte ihm die Hand auf den Arm. »Es tut mir so leid.«
    »Ich wusste, dass sie es nicht war. Ich bin höchstens eine Minute lang darauf hereingefallen.«
    Und in dieser Minute, dachte sie, musste er unerträgliche Trauer und Freude empfunden haben. Sie wandte
sich ab und goss Wasser in die Teekanne. »Ich hoffe, du hast ein paar lebenswichtige Organe getroffen, als du ihn in den Bauch geboxt hast.«
    »Das mag ich so an dir, deinen gesunden Sinn für Gewalttätigkeit.« Er schob das Bild seiner Mutter wieder in die Brieftasche zurück.
    »Ich mag Körperliches in vieler Hinsicht. Es ist übrigens interessant, dass er dich in dieser Verkleidung zuerst zum Weggehen überreden wollte. Er hat nicht versucht, dich anzugreifen, sondern hat die vertraute Gestalt dazu benutzt, dir zu sagen, du sollst dich in Sicherheit bringen. Ich glaube, wir haben ihm Angst eingejagt.«
    »Ja, er hat echt verängstigt ausgesehen, als er mich zu Boden geworfen hat.«
    »Aber du bist doch wieder aufgestanden, oder?« Sie stellte den Teller, die Kanne und eine Tasse auf ein Tablett. »Cal kommt in einer Stunde, und Fox und Layla müssten auch bald da sein. Wenn du nichts Besseres vorhast, kannst du gerne zum Abendessen bleiben.«
    »Kochst du?«
    »Das ist anscheinend in diesem seltsamen Leben, das wir hier führen, mein Los.«
    »Dann bleibe ich gerne.«
    »Kannst du das bitte für mich hochtragen? Wir haben noch einiges für dich zu tun.«
    »Ich zeichne aber keine Charts.«
    Sie grinste ihn an. »Wenn du etwas zu essen haben willst, tust du, was wir dir sagen.«

    Später saß Gage auf der Vordertreppe und genoss mit Fox und Cal das erste Bier des Tages. Fox hatte seinen Anzug gegen Jeans und ein ärmelloses Sweatshirt eingetauscht und sah, wie immer, so aus, als ob er sich in seiner Haut wohl fühlte.
    Wie oft hatten sie das schon gemacht, fragte sich Gage. Einfach dagesessen und zusammen ein Bier getrunken. Unzählige Male. Und oft, wenn er unterwegs abends irgendwo ein Bier trank, dachte er dabei an seine Freunde in Hollow.
    Manchmal kam er auch

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