Morgenlied - Roman
gehen.«
»Dann muss ich ihr trotzdem alle Einzelheiten noch mal erzählen.«
»Das macht doch nichts.« Fox grinste Layla an. »Das schmeckt toll.«
»Na ja, es sind keine Pop-Tarts.«
»Es ist besser. Bist du sicher, dass ich heute Nachmittag nicht mit dir in die Bank gehen soll? Deine Unterlagen sind ja in Ordnung, aber...«
»Nein, ich komme schon klar. Du hast heute einen vollen Terminkalender. Außerdem habe ich ja jetzt zwei Investorinnen, und der Kredit, den ich beantrage, ist nicht mehr besonders groß.«
Gage hatte nur mit halbem Ohr zugehört, aber das Wort >Investorinnen< erregte seine Aufmerksamkeit.
»Cybil und Quinn investieren in deinen Laden?«
»Ja.« Layla strahlte. »Es ist toll. Hoffentlich zahlt es sich für sie auch aus, aber dafür werde ich schon sorgen. Es ist einfach wundervoll, dass sie so viel Vertrauen in mich haben. Ihr kennt das Gefühl ja. Bei euch Männern ist es immer schon so gewesen.«
Das stimmte natürlich. Ann hatte gesagt, er wäre nicht alleine. Keiner von ihnen war allein, stellte er fest. Vielleicht war es genau das, was ihnen letztlich den Sieg brachte.
Als er das Haus für sich hatte, arbeitete er eine Stunde am Computer, um seine E-Mails zu lesen und zu beantworten. Er hatte einen Kontakt in Europa, Professor Linz, dessen Spezialgebiet Dämonologie und Volkslegenden waren. Er steckte voller Theorien, über die er sich gerne ausführlich ausließ, aber Gage hatte von ihm
auch schon wichtige Informationen erhalten. Je mehr sie wussten, desto besser waren ihre Chancen, den Dämon zu besiegen. Es konnte nicht schaden, Linz über Cybils neueste Hypothese zu informieren. War der Blutstein - ihr Blutstein - Teil eines größeren Ganzen, irgendeine mythische, magische Kraftquelle?
Gage schüttelte den Kopf. Wenn jemand außerhalb dieses engen Freundeskreises wüsste, wie viel Zeit er mit Recherchen über Dämonen verbrachte, dann würde er sich kaputtlachen. Andererseits kannte ihn außer seinen engsten Freunden auch keiner wirklich. Sie sahen alle nur, was er sie sehen ließ, und nicht einen von ihnen würde er als Freund bezeichnen.
Bekannte, Mitspieler, Betthäschen.
Nichts Ernstes.
Warum kam ihm sein bisheriges Leben auf einmal so jämmerlich vor?
Ärgerlich fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Er lebte eben so, wie es ihm gefiel, und dass er jetzt hier war, war auch seine freie Entscheidung. Wenn er seinen Geburtstag nicht überlebte, dann war das schlecht, aber beklagen konnte er sich eigentlich nicht. Er hatte einunddreißig gute Jahre gehabt und einiges von der Welt gesehen. Ab und zu hatte er sogar das Geld mit vollen Händen ausgeben können. Aber auch mit den Verlusten konnte er leben.
Das wichtigste Ziel in seinem Leben hatte er bereits erreicht. Er war aus Hollow herausgekommen. Und seit fünfzehn Jahren schlug er zurück, wenn jemand die Hand gegen ihn erhob.
Der alte Mann war in jener Nacht betrunken gewesen, daran konnte sich Gage noch gut erinnern. Stockbesoffen.
Es war Sommer gewesen, eine heiße Augustnacht, in der sogar die Luft schwitzte. Seit April war der alte Mann trocken gewesen, und deshalb war auch die Wohnung in einem ordentlichen Zustand. Da sie sich jedoch im ersten Stock über dem Bowling-Center befand, stand die schwüle Luft drinnen, und als Gage die Wohnung betrat, hätte er sie am liebsten gleich wieder verlassen, um bei Fox oder Cal zu übernachten.
Aber er hatte eine Art Date gehabt, die Art von Verabredung, bei der man sich von seinen Freunden trennen muss, wenn man eine Chance haben will.
Er glaubte, sein Vater läge schon im Bett und schliefe, deshalb zog er sich die Schuhe aus und huschte auf Zehenspitzen in die Küche. Dort stand ein Krug mit Eistee, billiger Instant-Mist, der immer zu süß oder zu bitter schmeckte, ganz gleich, wie man ihn anrührte. Aber er trank zwei Gläser, bevor er sich nach etwas Essbarem umschaute.
Am liebsten hätte er Pizza gehabt, aber unten im Bowling-Center war schon alles zu. Er fand eine halbe Frikadelle, die bestimmt schon mehrere Tage alt war, doch solche Kleinigkeiten sind einem Teenager egal.
Er aß sie kalt, an der Spüle.
Anschließend spülte er. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie die Wohnung roch, wenn sein Vater trank. Verschimmelte Lebensmittel, alter Müll, Schweiß, Whiskey und kalter Rauch. Es war ganz schön, dass es
trotz der Hitze normal in der Wohnung roch. Natürlich roch es bei Cal oder Fox besser. Dort gab es
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