Morgenlied - Roman
durchgedrehr.«
»Er hat ein Halsband und eine Steuermarke.« Sie trat über den Rasen auf das tote Tier zu und hockte sich hin. »Er sieht gepflegt aus und ist sicher gegen Tollwut geimpft worden. Er war nicht tollwütig, Gage, jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Aber das wissen wir ja beide.«
Sie richtete sich auf, als Gage zu ihr gehumpelt kam. »Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
»Wir begraben ihn.«
»Aber... Gage, der Hund hat jemandem gehört. Es war kein Streuner, er hat jemandem gehört. Sie suchen bestimmt nach ihm.«
»Wenn wir ihn tot zurückbringen, nützt das niemandem.
Wie sollen wir denn erklären, dass du auf einen Hund geschossen hast, bei dem keine Tollwut nachgewiesen werden kann?« Gage packte sie an den Schultern. »Wir befinden uns im Krieg, verstehst du? Es sterben auch Menschen, Cybil, also reiß dich zusammen. Irgendeinem Kind zu erzählen, dass Bello nicht mehr nach Hause kommt, weil ein Dämon ihn infiziert hat, kommt nicht in Frage. Wir begraben ihn und machen weiter.«
»Es ist bestimmt nützlich, keine Gefühle, Gewissensbisse oder Schuld zu empfinden.«
»Ja, genau. Fahr nach Hause. Wir sind für heute fertig.«
»Wohin gehst du?«, fragte sie, als er sich abwandte. »Ich hole eine Schaufel.«
Cybil biss die Zähne zusammen, marschierte vor ihm zum Gartenschuppen und riss die Tür auf.
»Ich sagte, fahr nach Hause.«
»Und ich sage, fahr zur Hölle; mal gucken, wer von uns als Erster dort ankommt. Ich habe den Hund erschossen. Also helfe ich auch dabei, ihn unter die Erde zu bringen.« Sie ergriff eine Schaufel und drückte sie Gage in die Hand. Dann nahm sie sich ebenfalls eine. »Und noch was, du Hurensohn, wir sind für heute noch nicht fertig. Wir müssen die Ereignisse hier noch den anderen berichten. Ob es dir passt oder nicht, du bist Teil eines Teams. Diese ganze hässliche Geschichte muss erzählt, dokumentiert und festgehalten werden. Begraben reicht nicht. Es reicht überhaupt nicht.«
Sie schlug sich die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Schluchzen. Als sie sich an ihm vorbeidrängen wollte, zog Gage sie an sich.
»Lass mich los.«
»Sei still. Sei einfach still.« Er hielt sie fest, und schließlich gab sie es auf, sich zu wehren. »Du hast getan, was du tun musstest«, murmelte er. »Und du hast es gut gemacht. Geh hinein und lass mich den Rest erledigen. Du kannst die anderen anrufen.«
Sie schmiegte sich an ihn. »Wir bringen es gemeinsam zu Ende. Wir begraben ihn zusammen. Dann rufen wir die anderen an.«
7
Cybil hatte Quinn gebeten, ihr Kleider zum Wechseln mitzubringen. Nachdem sie den Hund begraben hatten, war sie völlig verschwitzt und schmutzig. Sie steckte Hose und T-Shirt in eine Plastiktüte und beschloss, sie in Cals Mülltonne zu entsorgen, wenn sie erst einmal geduscht hatte.
Der Tag hatte sie mitgenommen, musste sie zugeben, als sie unter die Dusche trat. Natürlich hatte sie getan, was sie tun musste, aber danach war ihre brüchige Mauer der Selbstbeherrschung zusammengebrochen.
Cybil Kinski war eben nicht immer nur kühl und klar.
War es denn schlimm, dass sie sich vor Gage hatte gehen
lassen? Das kam darauf an, dachte sie, aber insgesamt gesehen war es natürlich besser, wenn sie einander gut kannten und sich in ihren Stärken und Schwächen einschätzen konnten.
Es war ärgerlich, dass sie als Erste Schwäche gezeigt hatte, aber damit konnte sie letztendlich umgehen.
Es fiel ihr nur deshalb so schwer, es zu akzeptieren, weil sie sich immer als so stark wahrgenommen hatte. Andere Menschen brachen zusammen - ihre Mutter, ihre Schwester -, aber sie war die Starke, die sich um alles kümmerte.
Genauso schwer war es zu akzeptieren, dass Gage recht hatte. Ein toter Hund war noch lange nicht das Schlimmste. Und wenn sie schon damit nicht umgehen konnte, dann war sie für die anderen nutzlos. Also musste sie lernen, damit umzugehen.
Als die Tür aufging, stieg Wut in ihr auf. »Dreh dich einfach um, Casanova, und geh wieder raus!«
»Ich bin es, Q. Alles okay?«
Als sie die Stimme ihrer Freundin hörte, traten erneut Tränen in die Augen. »Ja, es geht schon besser. Du warst aber schnell hier.«
»Cal und ich sind direkt hierhergefahren. Fox und Layla kommen auch gleich. Was kann ich tun?«
Cybil drehte das Wasser ab. »Reich mir mal ein Handtuch.« Sie schob den Duschvorhang beiseite und nahm das Badetuch entgegen, das Quinn ihr hinhielt.
»Gott, Cyb, du siehst erschöpft aus.«
»Heute war mein erster Tag als
Weitere Kostenlose Bücher