Morgenlied - Roman
mehr hierherzukommen. Und warum bist du so gereizt?«
»Ach, ich weiß nicht. Wahrscheinlich regt es mich einfach nur auf, dass eine Frau, die ich mag, mit dem Messer bedroht worden ist.«
»Wir können alle froh sein, dass Layla Pfefferspray dabeihatte.« Cybil packte den Milchkarton in eine Tüte. Sie spürte, wie sie langsam Kopfschmerzen bekam. »Der Pizza-Bote ist mit dem Rest seiner Familie auf dem Weg zu seinen Großeltern in Virginia. Schon wieder fünf Personen mehr, denen nichts passieren kann.«
»Ja, so könnte ich es wohl auch sehen.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Aber du bist lieber gereizt.«
»Vielleicht. Dann kommt noch hinzu, dass wir uns
jetzt um zwei schwangere Frauen Sorgen machen müssen.«
»Beide Frauen sind durchaus in der Lage, auf sich selbst aufzupassen, wie sie gerade heute bewiesen haben. Die schwangere Layla hat die Nerven behalten und ihr Pfefferspray eingesetzt. Sie hat sich selbst, Quinn und mich vor Unheil bewahrt. Und den Jungen sowieso. Ich hätte ihn erschossen, Gage.«
Seufzend packte sie weiter ein. Sie hatte wahrscheinlich Kopfschmerzen, weil sie sich vorstellte, was alles hätte passieren können. »Ich hätte den Jungen ohne zu zögern erschossen. Ich weiß das. Und sie hat mich davor bewahrt, damit weiterleben zu müssen.«
»Mit deiner Spielzeugpistole hättest du ihm höchstens einen Schreck eingejagt.«
Sie wandte sich zu ihm. »Nicht schlecht, wenn das ein Versuch sein soll, mich aufzumuntern. Aber ich glaube, ich muss jetzt wirklich eine Aspirin nehmen.«
Er brachte ihr die Tabletten und schenkte ihr ein Glas Wasser ein. »Es ist toll, dass Layla und Quinn aus diesem Abenteuer ohne einen Kratzer hervorgegangen sind«, sagte sie, als sie die Tabletten schluckte.
»Da kann ich dir nicht widersprechen.« Er trat hinter sie und begann, ihre Schultern zu massieren.«
»O Gott.« Sie schloss die Augen. »Danke.«
»Es passiert also nicht alles, was wir sehen, und wir sehen auch nicht alles, was passiert. Die schwangere Layla haben wir nicht gesehen.«
»Doch.« Ihre Kopfschmerzen ließen schon nach. Das lag bestimmt an seinen Händen. »Du hast es nur nicht
erkannt. Wir haben sie und Fox im September in ihrer Boutique gesehen. Da war sie schwanger.«
»Wie hast du denn das... ach, ist ja egal. Warum hast du es damals nicht erwähnt?«
»Das weiß ich nicht genau. Aber es zeigt mir auf jeden Fall, dass manche Dinge vorherbestimmt sind und andere geändert werden können.« Sie drehte sich zu ihm. »Du musst nicht sterben, Gage.«
»Ehrlich gesagt wäre mir das auch lieber. Aber ich laufe auf jeden Fall nicht davon.«
»Das verstehe ich. Aber was wir gesehen haben, hat dazu beigetragen, dass unsere Freunde noch leben. Und ich möchte gerne glauben, dass es bei dir genauso ist. Ich will dich nicht verlieren.« Aus Angst, in Tränen auszubrechen, drückte sie ihm die zwei Tüten mit Lebensmitteln in die Arme und sagte leichthin: »Dazu bist du zu praktisch.«
»Als Packesel.«
Sie lächelte ihn an. »Unter anderem.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. »Wir machen uns jetzt besser auf den Weg. Wir müssen noch bei der Bäckerei vorbei.«
»Warum?«
»Um noch eine Torte mit der Aufschrift >Wir sind froh, dass du nicht tot bist< zu kaufen. Das ist eine schöne Tradition.« Sie öffnete die Tür und ließ ihn vorausgehen. »Weißt du was? Wenn du deinen Geburtstag überlebst, backe ich dir eine.«
»Du backst mir eine Torte, wenn ich am Leben bleibe?«
»Ja, und zwar eine spektakuläre.« Sie schloss Fox’ Tür. »Mit sechs Schichten, einer für jeden von uns.« Jetzt traten ihr doch die Tränen in die Augen, und sie setzte rasch ihre Sonnenbrille auf.
»Sieben«, korrigierte Gage sie. »Sieben ist die magische Zahl, oder? Es müssen sieben Schichten sein.«
»Am siebten Juli eine Torte mit sieben Schichten.« Sie wartete, bis er alle Tüten im Kofferraum verstaut hatte. »Okay, abgemacht.«
»Wann hast du Geburtstag?«
»Im November. Am zweiten November.«
»Dann sage ich dir was. Wenn ich an meinem Geburtstag tatsächlich ein Stück von deiner Sieben-Schichten-Torte essen kann, dann fahre ich mit dir an deinem Geburtstag überall hin, wo du willst.«
Obwohl es ihr fast das Herz zerriss, lächelte sie ihn fröhlich an. »Vorsichtig. Es gibt eine Menge Orte, wo ich hinmöchte.«
»Gut. Ich auch.«
Das war etwas, was ihm an ihr gut gefiel, dachte Gage. Es gab viele Orte, wo sie gerne hinwollten. Wann war aus ihnen
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