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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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hineinzwängen. Der Anblick ließ Lea allerdings versonnen strahlen: Die schmalen Hosenbeine drapierten sich normalerweise sexy um die High Heels, die sie seit dem Ball in Pis Haus immer wieder mal getragen hatte. Nun schmückte dieser überlange Saum passend Adams Beine. Seine schmalen Hüften, und erst sein Hintern in dieser Jeans ... alles Elend der Welt war plötzlich ganz weit weg.
    Adam hatte alles mit stoischer Ruhe hingenommen. Sogar, als Lea den Wagen in Richtung Norden gelenkt hatte, hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach dem Ziel zu fragen. Stattdessen schien er meditiert zu haben, nach einer inneren Kraftquelle geforscht zu haben, die ihn die Schmerzen klaglos ertragen ließ und den Heilungsprozess beschleunigte.
    Während der ereignislosen Fahrt hatte sie über die Gelassenheit gestaunt, mit der sie der Flucht begegnete. Offenbar hatte die Lawine von Katastrophen, die innerhalb der letzten zwei Tage über sie hereingebrochen war, sie dermaßen abgestumpft, dass sie ausschließlich auf demÜberlebensmodus durchs Leben glitt. Konnte ihr nur recht sein. Die Rechnung dafür würde sie später gern bezahlen, wenn Adam und sie in Sicherheit wären. Am besten dann, wenn er sich so weit erholte hatte, dass er sie ausgiebig umsorgen konnte.
    Als sie die Stadt und ihr Umland hinter sich gelassen hatten und Adam in einen tiefen Schlaf gefallen war, hatte Lea bei jeder Gelegenheit sein Gesicht bewundert, das zwischen Entsoannune und dem sanften Eindrücken von Träumen oendelte. Sie hatte die Hand ausgestreckt und seine Finger berührt, die einen Deckenzipfel umklammert hielten. Sie hatte sich frei und auf eine verrückte Art euphorisch gefühlt. Dieses Gefühl hatte sich nach einigen Stunden in eine angenehme Ruhe gewandelt, die sie auch begleitete, während sie nun aus dem Wagen stieg und dem Schotterweg bis zu einer Gabelung folgte. Nur einige Schritte entfernt zu ihrer Rechten lag die Holzhütte, die ihre Eltern gekauft hatten, als sie jung und verliebt gewesen waren.
    Lea hatte hier als Kind einige wundervolle Sommer verbracht, Tage, die mit Bootfahren, Blumen sammeln und endlosen Streifzügen durch die Wildnis angefüllt gewesen waren. Ihre Mutter hatte ihre schicken Caprihosen getragen, auf der Veranda Blumen umgetopft und dabei Kette geraucht, während ihr Vater in einem altersschwachen Campingstuhl Anglerzeitschriften gewälzt hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter waren ihr Vater und sie noch einige Male hergekommen; doch nur zu zweit, mit Herzen voller Trauer, hatte dieser Ort keinerlei Magie mehr entwickeln können. Er hatte ihnen nur das Schattenleben, das sie beide führten, schmerzlich deutlich gemacht.
    Obwohl ihr Vater in all den Jahren die Hütte lediglich sporadisch besucht hatte, um nach dem Rechten zu sehen, machte sie einen wohnlichen Eindruck. Gewiss brauchten die Holzplanken einen neuen Anstrich, und die Dachschindeln waren fast vollständig von Moos überwuchert. Aber Lea sah auf den ersten Blick nichts, was an Verwahrlosung grenzte und sie von einem gemütlichen Abend vor dem Kamin abhalten würde.
    Ihr Blick schweifte zum See, und sie folgte dem schmalen Pfad zum Ufer. Es dämmerte schon, und vom Wasser her zog Kühle ans Land, so dass sie die Arme schützend um den Oberkörper schlang. Sanft plätscherten die Wellen gegen das Ufer aus Geröll und Schilf.
    Während sie dastand, spürte sie die Erschöpfung, die sie ab dem Moment verdrängt hatte, als Adam, von den Kugeln getroffen, zusammengebrochen war. Tränen sammelten sich in ihren Augen und glitten ihr über die Wangen. Durch den Tränenschleier schaute sie auf das Blau des Sees, das in der aufkommenden Dunkelheit mit dem Grün des Waldes verschmolz. Das Farbenspiel nahm Leas Sinne gefangen und schenkte ihr einen unerwarteten Augenblick des Friedens.
    Als Adam lautlos neben sie trat, zuckte sie nicht einmal zusammen.
    Unauffällig musterte sie ihn aus den Augenwinkeln, bemerkte die Gänsehaut auf seinen nackten Unterarmen, sah die dunkelroten, aufgeworfenen Flecken, wo Macavitys Kugeln getroffen hatten. Die Hände steckten in den Gesäßtaschen der Jeans, wobei Lea sich schelmisch fragte, wie ihm das wohl gelungen war. Sein Gesicht verriet Erschöpfung, und er wankte fast unmerklich, während sein Blick auf dem See ruhte.
    So blieben sie eine Zeit lang stehen und schauten dem Tanz zu, den die ersten Mücken dicht über dem Wasserspiel veranstalteten, bis Lea sich leicht auf die Unterlippe biss und in neckischem Ton fragte:

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