Morgenrot
hockte: Adalbert. Eben jener Adalbert, der ihr vor einigen Jahren mit seinem Angriff auf Etienne Carriere vor Aueen Reführt hatte, wozu der Dämon Adam treiben konnte.
Adalberts Gesicht war ihr so nah, dass jeder einzelne der vernarbten Krater auf der verätzten Haut sichtbar war. Erwartungsfroh stierte er ihr in die Augen, als hoffe er dort Schrecken und Verzweiflung zu finden. Aber eine solche Genugtuung wollte sie diesem Mistkerl auf keinen Fall gewähren. Außerdem war sie viel zu aufgebracht, um Furcht zu empfinden: Adalbert hatte sie überrumpelt und dadurch diesen verzauberten Vormittag, der nur Adam und ihr gehören sollte, an sich gerissen und ihn mit seiner Gegenwart beschmutzt. Darüber war sie noch zorniger als über die Tatsache, dass es ihm gelungen war, sie beide so mühelos in seine Gewalt zu bringen.
Sie verengte die Augen zu Schlitzen und funkelte Adalbert voller Verachtung an. Er seufzte ergeben, fasste Adam mit einem brutalen Griff in das immer noch feucht glänzende Haar und zerrte seinen Kopf hin und her. Als Adam nicht die leiseste Reaktion zeigte, ließ er ihn zurück in Leas Schoß fallen. Lea biss die Zähne zusammen: Der Kopf fühlte sich so schwer an wie ein Stein.Wo immer auch Adam sich gerade befand, mit seinem Körper war er nicht verbunden.
Aus der aufgesetzten Tasche seines Tropenanzugs fischte Adalbert ein Stofftuch heraus, an dem er sich demonstrativ die Finger abwischte. »Der kommt nicht mal mehr zu sich, wenn er mit den Füßen voran in einen Schmelzofen geschoben wird«, erklärte er der Person, die hinter Lea kniete und sie -nun ohne übermäßigen Druck - umklammert hielt.
Plötzlich tauchte Maibergs Rattenvisage neben Adalbert auf, so als hätte er sich hinter einem der Bäume versteckt und daraufgewartet, dass sein Herr Entwarnung gab. Sofort machte er sich eifrig dran, Adam von Leas Schoß zu rollen. Dabei vermied er es übertrieben sorgsam, Lea auch nur zu streifen, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Trotz der Feigheit, die jede seiner Gesten verriet, ließ sich Maiberg nicht davon abhalten, ihr ein »Schön brav bleiben, Drecksstück« zuzuzischen.
Lea wusste nicht, welche der beiden Kreaturen sie mehr verabscheute: den brutalen Adalbert oder seinen schmierigen Handlanger. Adam nackt und ausgeliefert zu ihren Füßen liegen zu sehen trieb sie fast in den Wahnsinn. »Was habt ihr mit Adam und mir vor? Steht irgendwo zwischen den Bäumen schon ein Salzsäurefass bereit?«, fragte sie, sich vor der Antwort fürchtend.
»Nein, für unsere Bemühungen, euch beide in einem Stück abzuliefern, erwartet uns die Aussicht, dass ihr deutlich länger leiden werdet, als es in einem schlichten Säurebad der Fall wäre. Mein Mentor erwartet euch sehnsüchtig, schließlich hat er schon viel Außergewöhnliches über dich und deinen tollwütigen Freund gehört. Akinora war ganz aus dem Häuschen, wie ich hörte. Doch schient ihr beide von einem Moment zum anderen wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Nun, jetzt haben wir euch ja, nicht wahr?«
Adalbert legte eine solche Selbstzufriedenheit an den Tag, dass Leas Magen sich vor Zorn zusammenzog. Gerade als ihr unbekannter Wächter, der sie die ganze Zeit über reglos festgehalten hatte, sie mit schockierender Leichtigkeit hochzog, winkelte sie ihre Beine an und trat heftig, aber wahllos aus. Adalbert brachte sich rasch in Sicherheit, doch zu ihrer unendlichen Befriedigung gelang es ihr, Maiberg am Ellbogen zu erwischen. Sein Aufheulen und die kindliche Empörung in seinen Augen nahmen ihr wenigstens etwas von der Wut.
Plötzlich wurde ihr mit einem Ruck die Luft aus den Lungen gepresst - ihr Wächter war aus seiner Lethargie erwacht.
»Das nächste Mal reagieren wir aber etwas zügiger, nicht wahr, Randolf?« Adalbert hatte erneut sein Tuch hervorgezaubert und wischte sich über die verschwitzte Stirn.
»Bestimmt«, lautete die melancholische Antwort.
Als Lea wieder klar sehen konnte, gelang es ihr, einen Blick auf ihren Wächter zu erhaschen. Ein massiges Gesicht und geschorenes Haar überragte sie um Haupteslänge. Ihr drängte sich das Bild einer Bulldogge auf, allerdings bis ins Groteske vergrößert. Aber es passte zu dem schwerenArm mit den unzähligen orangefarbenen Härchen, der sie wie in einer Zwangsjacke gefangen hielt. Ein leblosesAugenpaar blickte sie gleichmütig an - zumindest schien ihr der Riese ihren Wutausbruch nicht übel zu nehmen.
In der Zwischenzeit machte sich Maiberg an dem bewusstlosen
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