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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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wieder seinen Platz im Regiestuhl ein. »Wenn wir den Aufzug runterlassen, wirst du dich von ihm fernhalten. Am besten bleibst du genau da stehen, wo du gerade bist. Das ist sogar ganz in deinem eigenen Interesse. Denn soweit ich weiß, spielst du gern noch ein wenig mit deiner Beute, ehe du ihr den Garaus machst. Falls du also irgendwelche unangemessenen Bewegungen vernehmen lässt, wird Randolf einfach das Seil vom Aufzug kappen, und es gibt Zermatschtes zum Abendbrot.«
    Adam beugte sich leicht vor, während seine Hand Leas Nacken und die andere ihren Oberarm umfasste. Für einen kurzen Moment streiften seine Lippen die ihren, eine sanfte, flüchtige Berührung - so schön und herzzerreißend zugleich, dass ihr brennend heiße Tränen in die Augen stiegen. Es war eine Verabschiedung. Sie wollte ihn bitten, zu bleiben und sie zu halten, anstatt dorthin zu gehen, wohin sie ihm nicht folgen konnte. Sie wollte nach ihm greifen, ihn festhalten. Doch als er sich abwendete, blieb sie nur leise weinend und mit pochendem Herzen sitzen. Mit dem Handrücken berührte sie die verwaisten Lippen, während in ihrem Inneren ein Sturm ausbrach, der alles mit sich zu reißen drohte.
    »Weißt du, Adalbert, ich habe ein wenig nachgedacht. Der Kollektor und du, ihr seid schon ein seltsames Pärchen ...« Adam schlug einen Plauderton an, während er gemächlich auf den Vorsprung zuschlenderte, von dem Megan gerade mithilfe des Aufzugs heruntergelassen wurde. »Wie lange treibt ihr beiden schon gemeinsam euer Unwesen? Nun, wenn man zwei und zwei zusammenzählt, kommt man jedenfalls unausweichlich zu der Frage, in was für einer Zelle Etienne Carriere untergebracht ist. Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich neugierig. Hast du nicht Lust, mir ein wenig davon zu erzählen, Adalbert?«
    Adalbert schnaufte so laut auf, dass es durch die Höhle hallte. »Von Etienne Carriere schwimmen nicht mehr als ein paar Knochenfragmente in Salzsäure umher, wie du nur allzu gut weiß. Immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen?«
    »Wenn du es sagst. Aber es überrascht mich, dass dein neuer Herr dich in seinen Diensten behalten hat, nachdem du deinen alten Herrn auf so originelle Weise entsorgt hast.«
    »An deiner Stelle würde ich die Klappe nicht zu weit aufreißen. Dass du nicht die geringste Ahnung davon hast, wie man angemessen mit seinen Dienern umspringt, hast du in Megans Fall ja eindrucksvoll bewiesen.«
    Falls Adalberts höhnische Worte ihn trafen, so ließ er es sich nicht anmerken. Bis auf Armlänge blieb er vor Megan stehen, die sich um Haltung bemühte. Als sie hörte, wie hinter ihr der Aufzug wieder hochgezogen wurde, konnte Megan ein Beben ihrer schmalen Schultern nicht unterdrücken. Die Hände waren vor dem Körper mit Plastikschnüren zusammengebunden und wie zum Gebet gefaltet. Ihr Gesicht war kreidebleich, und die eingefallenen Züge verrieten, wie viel Kraft sie die letzten Wochen gekostet hatten. Sie sah sich in der Höhle um, aber in Wirklichkeit scheute sie nur davor zurück, Adams Blick zu erwidern.
    »Bin gerade dabei, diesen Fehler zu korrigieren«, sagte Adam leise.
    Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, grub er seine Finger zwischen die Fesseln und Megans Handgelenke. Bevor sie protestieren konnte, zerriss er die Schnüre, die ihr dabei tief ins Fleisch schnitten. In ihr blasses Gesicht schlich sich eine grüne Note, während sie versuchte, die Hände um die blutenden Wunden zu legen. Doch die Manschetten ihrer hellen Seidenbluse verfärbten sich schon und zeichneten eine rote Spur in den Stoff.
    Wie in Trance stand Lea da und beobachtete durch eine undurchdringliche Wand aus Raum und Zeit, wie Adam sich zu Megan hinunterbeugte und sie mit sanfter Stimme fragte: »Welche Art der Hinrichtung ist dir lieber: ausbluten oder verwandeln?«
    Mit einem Ruck hob Megan den Kopf an, und bevor Lea sich versah, trafen sich ihre Blicke. Megan verzog das Gesicht, als sehe sie sich mit einem widerlichen Insekt konfrontiert. Unwillkürlich flammte in Lea der vertraute Drang auf, dieser Frau eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Doch Megan wandte sich bereits wieder Adam zu.
    »Du bist so ein elender Idiot«, sagte Megan voller Verachtung. »Du hast alles zerstört mit deiner einfältigen Verliebtheit. Dabei hättest du dir alles nehmen können: Lea, Akinora und den Kollektor.Wenn du dich an deinen ursprünglichen Plan gehalten hättest, würden wir jetzt direkt an Pis Seite sitzen. Hast du überhaupt eine Ahnung, welche Möglichkeiten

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