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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Doch weder Professor Carriere noch Adam nahmen ihr Verhalten wahr, denn sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, einen wortlosen Disput miteinander auszufechten.
    Beklommen wartete Lea ab, bis der Professor ihr unvermittelt die Hand zur Verabschiedung reichte. Er tätschelte ihr den Handrücken und sagte verschmitzt: »Wahrscheinlich muss ich mich bei Ihnen weder für mein Temperament noch für meine Neugierde entschuldigen, meine Liebe. Sie haben ja sicherlich Verständnis dafür, wenn man sich vor lauter Leidenschaft nicht zusammenreißen kann und Gefahr läuft, sich lächerlich zu machen.«
    Er schenkte ihr noch ein Blinzeln, dann berührtenAdams Fingerspitzen kurz ihre Schulter, um sie zum Gehen aufzufordern. Sofort ließ Lea ihreÜberlegungen fallen, ob Professor Carriere seine Worte tatsächlich so offenkundig doppeldeutig gewählt hatte, wie es ihr vorkam.
    Benommen folgte sie Adam auf dem Weg durch den Speisesaal. Dabei entgingen ihr weder die dunkelblonden Härchen auf seinem Handrücken, als er ihr die Tür öffnete, noch die fest aufeinandergepressten Lippen in der Spiegelung des Wagenfensters, wobei die sinnlich geschwungene Unterlippe nichts von ihrer Wirkung einbüßte. Auch die steile Falte über seiner rechten Braue, die sich seit Carrieres Verhör eingegraben hatte, übersah sie nicht. Nur die Fahrt durch die dunkle Stadt war schneller vorbei, als Lea es mitbekam. Bevor sie auch nur den Versuch einer Unterhaltung starten konnte, öffnete Adam ihr bereits die Beifahrertür.
    Schweigend erklommen sie die Treppen, und Lea stellte am Grad ihrer Atemlosigkeit fest, dass sie den elften Stock viel zu rasch erreichten. In dieser grauen, spärlich beleuchteten Umgebung schien Adam regelrecht zu strahlen, als stamme er aus einer anderen Dimension, schön und fremd. Eine Treppen steigende Marmorstatue, die einen süchtig machenden Duft verströmte, wie Lea erneut voller Verlangen feststellte.
    Als sie vor ihrer Zimmertür ankamen, war Lea außer sich. Wie ein Fluch lastete jene Art von Verliebtheit auf ihr, die einen zur Reglosigkeit verdammt. Zugleich spürte sie Panik aufsteigen, weil Adam sich gewiss jeden Augenblick verabschieden würde.
    Adam stand so dicht neben ihr, dass sie nur die Hand hätte anheben müssen, um sein ausdrucksloses Gesicht zu berühren. Doch er mied jeden Kontakt mit ihr. »Gute Nacht, Lea«, sagte er, dann war er auch schon gegangen.
    In ihrem Zimmer schaffte es Lea gerade noch, die Kleidung abzustreifen und sich auf die am Boden liegende Matratze fallen zu lassen, ehe sie sich wie ein Fötus zusammenkrümmte und in die Leere hineinfühlte, die ihr Innerstes in Besitz genommen hatte. Gewaltsam zwang sie sich, mit dem Weinen anzufangen, und schließlich schluchzte sie so herzzerreißend, dass sie kaum noch Luft bekam. Trotz der spürbaren Erleichterung kostete es sie noch viele Tränen, bis sie endlich eingeschlafen war.
    Einige Stunden später riss die plötzliche Erkenntnis Lea aus dem Schlaf. Keuchend setzte sie sich auf, ihr Brustkorb schmerzte, als hätte etwas Schweres darauf gelegen. Woher wusste er, wo ich wohne? In welchem Stock? In welcher Wohnung? Er war vorausgegangen, immer! Da war Lea sich sicher.Woher weiß er das alles?
    Adam hatte kaum mitbekommen, wie er die Treppen hinuntergestiegen war - Schritt für Schritt, keinen einzigen Gedanken zulassend. Unvermittelt fand er sich im Freien wieder. Hinter ihm knarrte die Eingangstür, die langsam zuschwang. Durch die ewig beschlagenen Glasscheiben der Doppeltür drang das Licht der Flurbeleuchtung, und er glaubte das Surren der Leuchtstoffröhren zu hören. Zunehmend verdichtete es sich zu einem lauten Kreischen, das ihm in den Ohren schmerzte. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass das Kreischen nicht von den Lampen stammte, sondern tief in seinem Inneren wütete.
    Nur mit Mühe konnte er dem Drang widerstehen, den Weg, den er soeben qualvoll hinter sich gebracht hatte, zurückzustürzen, um endlich das Verlangen zu stillen, das ihn um den Verstand brachte.
    Adam zwang sich, einige Male tief durchzuatmen, dann ging er zu seinem Wagen. Als er den Schlüssel hervorzog, zitterten seinen Hände so sehr, dass es ihm nicht gelang, die Tür aufzuschließen. Mit einem unterdrückten Wutschrei schlug er gegen die Scheibe, die unter der Wucht zersplitterte. Er zog seinen Arm zurück und entdeckte einige rot verwischte Flecken auf dem zerbrochenen Glas.
    Augenblicklich ließ der Drang, der ihn bislang in einem eisernen

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