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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Die ganze Geschichte war vollkommener Irrsinn. Sich um den Verstand bringen zu lassen von einem schönen Mann, mit dem sie lediglich ein paar Sätze gewechselt hatte.Wer konnte schon sagen, welche Abgründe sich hinter der verführerischen Fassade verbargen? Oder schlimmer noch: Vielleicht gab es nur die Fassade. Um sich noch gründlicher vor Augen zu führen, wie sehr sie sich mit dieser Entrücktheit lächerlich machte, malte Lea sich aus, wie sie einer Freundin von Adam erzählte. Nur allzu gut konnte sie sich die mitleidsvollen Blicke und das unterdrückte Schmunzeln vorstellen, das ein Geständnis hervorrufen würde. Dann ließ sie das Gedankenspiel plötzlich stutzen: welcher Freundin? Und für einen kurzen Augenblick dachte sie an etwas anderes als an diesen anziehenden, aber unerreichbaren Mann.
    Zu Hause hatte sie keine richtige Freundin, lediglich Maria, mit der sie jedoch seit ihrer Auseinandersetzung nicht mehr gesprochen hatte. Außerdem war Maria von ihrer Art her viel zu trocken, um sich irgendwelche Schwärmereien anzuhören - da musste Lea nicht lange darüber nachdenken. Hier an der Universität hatte Lea bislang nur mit Jazna mehr als ein paar Worte gewechselt, aber mit ihr über etwas so Verwirrendes zu sprechen? Dafür kannten sich die beiden Frauen noch nicht gut genug. Außerdem erinnerte sich Lea nur ungern an die anzüglichen Bemerkungen über Adam, die Jazna nach dem Abend in Professor Carrieres Haus gemacht hatte. Zu hören, wie jemand den Mann, der sie um den Verstand brachte, lediglich als ein Lustobjekt darstellte, war ihr zuwider.
    Lea nahm einen Stift zwischen die Hände und rollte ihn in Gedanken versunken hin und her. Ihre Mutter wäre bestimmt begeistert auf das Thema eingestiegen. Schließlich hatte sie stets befürchtet, dass ihre Tochter zwar die verträumte Art ihres Vaters geerbt hatte, aber leider auch dessen Mangel an Leidenschaft. Wieder einmal wurde Lea bewusst, wie sehr sie ihre Mutter vermisste. Der einzige Mensch, der ihr wirklich jemals nahegestanden hatte, dem es gelungen war, mit Beharrlichkeit und sprödem Witz zu ihr durchzudringen.
    Verstört biss sie sich auf die Unterlippe, als sie sich zu guter Letzt eingestehen musste, dass es tatsächlich niemanden gab, dem sie ihre verwirrenden Gefühle für Adam hätte anvertrauen können. Möglicherweise war es gerade ihre Einsamkeit, die für diesen rauschhaften Zustand verantwortlich war, dachte sie bitter.
    Es war an der Zeit, zu akzeptieren, dass sie in eine Sackgasse geraten war: Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer Adam war. Sie wusstenur mit Bestimmtheit, dass er nicht einmal dazu bereit gewesen war, Interesse an ihr zu heucheln. Sämtliche Überlegungen, warum er zielsicher auf ihre Wohnung zugesteuert war, entsprangen dem gleichen Wunschdenken, das sie nachts in der Hoffnung aufwachen ließ, ihn neben ihrer Matratze sitzend vorzufinden.
    Aus, Schluss und vorbei!, stachelte Lea sich an. Ab sofort gab es nur noch den guten alten Lebensmittelpunkt Literatur. Sie würde Professor Carrieres Augen mit ihrer Originalität zum Strahlen bringen. Entschlossen drückte sie den Rücken durch und blickte mit völlig neuen Augen auf Friedrichs Meisterwerk.
    Erneut traf sie das Blau so unvermittelt und schmerzhaft, dass das Nervengeflecht zwischen Brust und Bauch sofort wieder unter Strom stand. Die Rebellion war verloren, jeder Widerstand war zwecklos. Lea ließ sich abermals willenlos davontreiben, bis Adam kommen und sie erlösen würde.
     

3. Blut und Schnee
    In der Luft breitete sich eine ungewöhnliche Duftspur aus. Kaum wahrnehmbar trug sie der frostklare Wind mit sich und hätte sie beinahe zerfasert, so dass sie von den vielschichtigen Gerüchen der Straße überlagert worden wäre.
    Adam blieb stehen und legte den Kopfschief. Die Straße war menschenleer, eine marode Straßenbahn verschwand gerade um die Ecke, und gelegentlich schlitterte ein Auto vorbei, aus dem lautstarke Musik dröhnte. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, die Augen zu schließen, um sich besser konzentrieren zu können. Wenn seine Sinne ihn nicht täuschten, musste er auf jede Bewegung in seinem Umfeld achten.
    Dieser Geruch ... nach altem Leder, aber darunter lag noch etwas anderes. Dunkel, präzise ... Nein, ganz gleich, wie sehr er sich auch bemühte, nun kitzelten nur noch die Abgase und der Frost in seiner Nase. Er fluchte lautlos und spähte erneut in die verlassene Gasse, aus der der Wind den ungewöhnlichen Duft zu ihm

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