Morgenrot
durchzudringen, genauso wenig wie die Gefahr, in der sie alle sich befanden.
Bei seinem Anblick wich Lea einige Schritte zurück, bis das Sofa sie zum Halten zwang. Dieser Mann mit dem wilden und gleichzeitig konzentrierten Gesichtsausdruck war ihr vollkommen fremd. Auf seinen Zügen spiegelte sich eine Rohheit, eine Freude an der Gewalt, die in ihr eine bislang unbekannte Furcht weckte. Was für ein Irrsinn! In einem Raum voller Monstren fürchtete sie sich am meisten vor dem Mann, den sie noch vor einigen Augenblicken für die Liebe ihres Lebens gehalten hatte.
Mit ungeahnter Schnelligkeit rappelte sich Adam auf und stürmte auf Lea zu. Entsetzt streckte sie die Arme vor, doch er durchbrach ihre Abwehr mühelos und riss sie mit sich zur Seite.
Einen Sekundenbruchteil später flog Truss wie ein Schatten an ihnen vorbei und landete beinahe lautlos auf dem Boden, nur ein leises Lachen auf den Lippen.
»Lass mich los!«, schrie Lea und versuchte, sich panisch aus Adams Umarmung zu befreien, doch der knurrte sie zornig an. Kurzerhand drehte er sie um die eigene Achse und presste ihren Rücken fest gegen seine Brust. Die Leichtigkeit, mit der er sie bezwang, war erschreckend.
Lea setzte bereits zur Gegenwehr an, als sie einen mächtigen Schlag verspürte, der ihren Körper wie ein Erdbeben durchfuhr. Erst einen Moment später begriff sie, dass nicht sie, sondern Adam getroffen worden war. Sie hatte lediglich den Aufprall zu spüren bekommen. Für einen Augenblick wich die Spannung aus Adams Körper, so dass er das Gleichgewicht verlor und zusammen mit ihr auf das Sofa fiel.
Bei dem Sturz stieß Leas Schienbein hart gegen die Holzumrahmung. Der Schmerz durchfuhr ihren Körper und ließ die unbezähmbare Furcht mit einem Schlag in Vergessenheit geraten. Wie sie anschließend unsanft in den Polstern landete, nahm sie schon gar nicht mehr wahr. Selbst Adams Gewicht, als er auf sie fiel, war für einige Atemzüge lang nichts imVergleich zu dem unerträglichen Pochen in ihrem Bein.
Adams Körper zuckte merklich zusammen, dann noch einmal. Es dauerte eine Zeit, bis Lea verstand, dass jemand heftig auf seinen Rücken einschlug. Truss setzte ihren Angriff fort. Im nächsten Augenblick wurde Adam von ihr fortgezerrt, und sie schnappte gierig nach Luft.
Mühsam rappelte Lea sich auf und zog die Beine an, während ihre Arme schützend den Oberkörper umschlangen. Entgegen ihrer Instinkte schloss sie die Augen und verbarg ihr Gesicht hinter den Knien. Schmerz und Entsetzen hatten sie in eine Ecke gedrängt, ihr den Lebensmut geraubt. Es war ihr gleichgültig, dass die Welt sich von einem Augenblick zum anderen in eine Hölle der Gewalt verwandelt hatte.
Um sie herum tobte der Kampfeslärm, schmerzverzerrtes Keuchen, Flüche und kehliges Gebrüll. Sie hörte unzählige Schritte, das Krachen umstürzender Möbel sowie das Geräusch reißenden Stoffes. Nein, nein, nein! Lea schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie wollte das alles nicht hören. Die Hölle hatte sich aufgetan, aber sie hatte damit nichts zu schaffen.
Plötzlich erklang ein unmenschlich hoher Schmerzensschrei und kündete von ungläubigem Entsetzen. Ihm folgte das Geräusch von zersplitterndem Glas, das Lea dazu brachte, zu den Fenstern in ihrem Rücken zu schauen. So konnte sie gerade noch sehen, wie Adam ihr einen von Gewalt trunkenen Blick zuwarf, den Blick eines Jägers, bevor er seine Beute niederstreckte. Von Truss war nichts zu sehen, Adamstand inmitten der Überreste des Salons vor einem aus den Angeln gerissenen Fenster, in dem der zerfetzte Vorhang wie eine vom Kriegstreiben zerstörte Fahne hing.
All das Grauen und die Gefahr hatten etwas in Adam geweckt, und dieses Etwas schenkte Lea nun ein erschreckend sinnliches Lächeln. Zu ihrem Entsetzen spürte sie, wie ein Teil von ihr zurücklächelte. Zum ersten Mal, seit sie diesen Mann getroffen hatte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er ging und den Dämon in seinem Inneren mitnahm.
Adam blinzelte ihr zu und sprang dann katzengleich zum eingeschlagenen Fenster hinaus, der Fährte seiner Beute folgend.
Ein spitzer und gleichzeitig überraschter Schrei riss Lea endgültig aus ihrer Benommenheit. Professor Carriere war es gelungen, Adalbert in einem Zweikampf einen so heftigen Stoß zu verpassen, dass der massige Mann gegen die gemauerte Umrahmung des Kamins geprallt war. Ein weiterer Stoß sorgte dafür, dass Adalbert in das Feuer stürzte. Dabei fing sein Mantel Feuer. Adalbert brüllte,
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