Morgenrot
Haut, so dass Lea überwältigt die Augen aufschlug. Der Intensität, mit der die Sehnsucht sich einen Weg bahnte, haftete etwas Schockierendes an.
Ein Blick auf Adams aufgewühltes Gesicht genügte, um zu erkennen, dass er sich dem leidenschaftlichen Drängen ebenfalls nicht entziehen konnte.
Unwillkürlich dachte sie an den Moment, als sie den ungeschminkten Ausdruck von Begehren zum ersten Mal auf seinem Gesicht entdeckt hatte: in der Nacht, in der Adam sich einen brutalen Kampf mit Truss auf den nächtlichen Straßen geliefert hatte. Damals hatte Lea ihn das erste Mal berührt, als er blutverschmiert vor ihr gestanden hatte. Doch sie war zu verwirrt gewesen, um die Bedeutung seiner Reaktion zu ermessen. Zu schnell war dieser sinnliche Augenblick von den folgenden verwirrenden Eindrücken überlagert worden.
Die Erkenntnis, dass sie einander nach wie vor begehrten, und die Gewissheit, dass dies kein Spiel war, trafen sie wie ein Schwall kalten Wassers. Sie befreite sich aus Adams Umarmung und schaute ihm ins Gesicht, ehe er Gelegenheit fand, sich zu fangen und die alte Maske der Gleichgültigkeit aufzusetzen. Ein wilder Glanz lag auf den halb geschlossenen Augen, und die leicht geöffneten Lippen zitterten. Lea zögerte.Was sah sie: Dämon oder Mann?
Sie war sich nicht sicher.
Adam reagierte auf ihren unvermittelten Rückzug mit einem kaum unterdrückten Knurren. Einen Moment lang glaubte sie, dass er sich auf sie stürzen würde, aber da hatte er sich schon wieder unter Kontrolle. Das teilnahmslose Gesicht, das Lea so vertraut war, wurde erneut zur Schutzmauer, hinter der Adam seine eigenen Wünsche und die des Dämons verbarg. Doch die Mauer hatte Risse erhalten, das Funkeln in seinen Augen verriet ihn.
Trotz des Schreckens und der widerstreitenden Gefühle schenkte sie ihm ein kühnes Lächeln. Sie hatte einen Sieg über seine Unnahbarkeit errungen, von dem sie nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Wenn es ihr gelang, Adams Gefühle zu wecken, dann war sie nicht länger der willenlose Spielball, zu dem er sie in der Bar herabgesetzt hatte. Adams Mundwinkel zuckten leicht nach oben, als gönne er ihr diesen kleinen Sieg durchaus.
Beide waren derartig ineinander vertieft, dass sie vor Schreck zusammenfuhren, als eine angenehm weiche Stimme sie in die Gegenwart zurückholte: »Was für eine beeindruckende Vorstellung.«
Während Lea wie versteinert stehen blieb, schlich sich ein Lächeln auf Adams Gesicht, das nichts anderes bedeuten konnte als »Mögen die Spiele beginnen«. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und führte sie zu dem großen Bett. Dort stellte er sich dicht hinter sie, umfasste sanft ihre Oberarme und vergrub kurz das Gesicht in ihrem offenen Haar.
Verwirrt überlegte Lea, was diese zärtliche Geste zu bedeuten hatte. Ein Judaskuss, ehe er sie den Raubtieren vorwarf? Aber Adams immer noch erregter Körper, den sie in ihrem Rücken spürte, führte diesen Gedanken ad absurdum.
»Pi, das hier ist meine unberechenbare Lea. Wie du siehst, ist sie so mühsam zu bezwingen wie eh und je«, sagte Adam. Lea glaubte, so etwas wie Besitzerstolz aus seiner Stimme herauszuhören.
Die schmale Gestalt, die Adam mit dem seltsamen Namen Pi angesprochen hatte, machte eine einladende Bewegung, der Lea gehorsam Folge leistete. Ein leichtes Schaudern unterdrückend, glitt sie auf den Platz, den ihr ein Mitglied des Hofstaates frei gemacht hatte. Der Junge mit der schneeweißen Haut blinzelte sie unter dem hellblonden Wimpernkranz an und schmiegte sich an eine spärlich bekleidete Frau, die eine Zigarette zwischen den feisten Fingern hielt und Rauchringe in die Luft blies. Adam blieb am Fuß des Bettes stehen.
Nur eine Armlänge von Pi entfernt, ließ Lea seine unverhohlene Musterung über sich ergehen. Es waren große, schön geschwungene Augen, die sie maßen, doch dem Glanz darin war nichts Kindliches zu eigen. Vielmehr entdeckte sie eine unermessliche Gier darin, gepaart mit Machtwillen. Selbst der zarte, fast unreife Körper strahlte auf unerklärliche Weise die gleiche Gefahr aus wie ein Truck, der mit Höchstgeschwindigkeit direkt auf einen zuhielt.
Lea vertraute ihrem Instinkt, der ihr riet, sich möglichst zurückhaltend zu benehmen. Deshalb ließ sie es auch ohne Murren zu, als dieselben Finger, die zuvor noch den weißen Windhund liebkost hatten, über ihren Hals streichelten. Dann führte Pi mit einer genießerischen Geste die Finger unter seine Nase und verzog das Gesicht zu einem
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