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Morgens 15.30 in Deutschland

Morgens 15.30 in Deutschland

Titel: Morgens 15.30 in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Werker
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am Ende sogar in die Kirche! Kann ich an dieser Stelle nur empfehlen, hat mir sogar echt weitergeholfen! Ich rate allerdings zu einem Platz in den hinteren Reihen – da ist der Korb mit der Kollekte voller als vorne!
Nachdem auch der Bildungssektor von Sparmaßnahmen betroffen ist und die meisten wegen der vielen Urlaube und ausufernden Partys beim besten Willen nicht mehr wissen, wie sie das Geld für Studiengebühren, Semesterbetrag usw. auftreiben sollen, führt die allgemeine Geldnot gelegentlich zu einem lustigen Phänomen.
Dabei kann man sogar beobachten, wie Leute, die ohnehin nicht arbeiten, ihre Arbeit demonstrativ niederlegen! Die Rede ist vom:
Studentenstreik
Hin und wieder kommt es vor, dass man sich sagt: Soll nicht meine Sache sein, dass bei den meisten Kommilitonen die Körperpflege genau denselben Stellenwert hat wie bei Opa damals an der Ostfront – schon okay! Aber müssen diese unrasierten Deppen jetzt neuerdings auch noch in meinem Hörsaal pennen ...?!
Mir ist es jedenfalls schon so ergangen! Zugegeben,
mein
Hörsaal ist vielleicht etwas übertrieben. Allerdings hatte ich mich nach wochenlanger Abstinenz in die Uni gequält – notgedrungen, um ein überfälliges Buch zurückzugeben (im Klartext: drei Euro mehr Verleihgebühren und ich wäre Inhaber der Verlagsgruppe geworden; „Der kleine Wassermann“ ist aber auch ein Knaller-Buch!) –, wollte auf dem Rückweg mal kurz einen Blick in die Vorlesung riskieren, erhielt jedoch bloß eine barsche Abfuhr: „Seminar entfällt!“
Wie? Was? So jetzt reicht’s mir aber, dachte ich mir, als junger, dynamischer, wissbegieriger Student bist du doch in diesem Land verraten und verkauft! Ich reiß mir täglich von 13 bis 14 Uhr in der Raucherecke, der Mensa oder im Café den Arsch auf, um endlich nach vier Jahren das Grundstudium zu schaffen, und werde dann vom Professorenmangel ausgebremst?! Wie soll ich denn da dem Druck der internationalen Bildungselite standhalten, wenn hier die Vorlesungen schneller wegbrechen als die Küste von Sylt?! „Nee“, sagte da einer, „der Prof ist anwesend, die Kommilitonen haben den Hörsaal besetzt, die streiken!“
Wat? Streiken? Und wieso erfahr ich das denn als Letzter? Wozu bin ich denn 27 Stunden am Tag bei diesem verdammten „twitter“, wohne im „studiVZ“, lebe bei „facebook“, atme nur noch online, bin immer und überall ... und dann planen diese aufgeweckten, abgeklärten Jungs und Mädels von jetzt auf gleich einen Streik – nur über Mundpropaganda?! Das geht doch nicht!
„Versteht mich nicht falsch“, rief ich sogleich, „ich bin für die Sache, für euren Streik! Und gegen ... äh, na, Dings hier! Wogegen protestiert ihr noch gleich?“
Auch andere hinzugestoßene Erstsemester kommentierten fachkundig: „Bologna? Is das was mit Spaghetti?!“
Aber wieso muss ich erst vor dem besetzten Hörsaal stehen, es später aus dem Internet und viel, viel später aus den restlichen veralteten Medien erfahren? Wieso hat mich denn keiner eingeladen? Hey, ich bin doch ein Student genau wie ihr, ich geh auf die gleiche Uni wie ihr – na gut, zumindest ab und zu! Is doch wahr, ein Streik ohne mich is doch wie Heino ohne Hannelore, wie ein Engländer ohne Sonnenbrand, wie Winnetou ohne Old Dingenskirchen, ich bin doch der personifizierte Streik! Ich bestreike schon seit Jahren sehr erfolgreich die Flurwoche und mein Badezimmer, ich weiß, wovon ich spreche! Ich will auch mitspielen!!!

    Student

    Student im Streik
Verstoßen und mit einem Gefühl großer Unwissenheit trollte ich mich nach Hause und fragte mich: Wie muss man sich das eigentlich vorstellen, so eine ultrageheime Streikorganisation der Weisen und Großsemestrigen? Hängt da ein eingeschworener Studi-Ausschuss zusammen, keiner denkt sich was, und urplötzlich stößt einer hervor: „Hey, wir hängen nur rum, wir machen nix und sind uns auch nicht zu fein, mal im Schlafsack zu pennen! Wie könnten wir das gezielt gegen das System einsetzen?“
Und ein anderer antwortet: „Komm, wir ziehen einfach um, aus dieser vermieften Puffbude, unserem AStA-Büro, rüber ins frisch gestrichene Audimax!“
„Genau“, wirft da ein Dritter ein, „und das Ganze nennen wir, äh, Demo, nee, is im Freien, Mist, Castor ... nee, auch nicht, Festival, ganz falsch ... ja, jetzt hab ich’s: Bildungsstreik!“ – So, ungefähr?
Bitte, bitte, bitte politisch nicht falsch verstehen, der Spitzenfußballer wie der moderne Wähler sollte von sich behaupten können:

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