Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
meinen Augen erkennt, nimmt er den Teller und beginnt zu essen. Ich weiß, dass er lieber Süßes isst, aber das scheint ihm im Moment egal zu sein.
Nach dem Essen rollt Nevis einen Schlafsack aus. Ich will gerade nach meinem greifen, da hält der Winter mich an meinem Arm fest.
»Maya, würdest du?« Er deutet auf den ausgerollten Schlafsack. »Es ist nicht mehr so eisig und wir könnten uns gegenseitig wärmen.«
Ich sehe Nevis unsicher an.
»Bitte, ich würde dich so gerne im Arm halten.«
Bevor ich weiter nachdenken kann, nicke ich und Nevis legt sich zuerst in den Schlafsack. Er öffnet seine Arme und ich schlüpfe, unter einem belustigten Schnauben des Grenzers, in Nevis' Arme, welcher daraufhin den Schlafsack schließt. Mein ganzer Körper beginnt auf Grund der Nähe zu prickeln und meine Hände brennen förmlich vor Verlangen, den Winter überall zu berühren. Nevis rückt mit seinem Kopf näher und unsere Nasenspitzen berühren sich. Es wird ganz still um uns, nur das leise Knistern des Feuers, das Rascheln weniger Blätter und das leise Schnarchen des Grenzers sind zu hören. Unsere Körperwärme vermischt sich und lässt meine zittrigen Gliedern nach den letzten Tagen endlich zur Ruhe kommen. Nevis und ich sind beide unsicher, das spüre ich ganz genau. Langsam tastend und mit fragendem Gesichtsausdruck rückt er näher, während ich ihn gespannt anschaue. Sein Atem geht etwas schneller als normal, aber meiner rast förmlich. Zuerst fassen unsere Arme den Mut, einander zu umschlingen, dann … zaghafter und zögerlicher unsere Beine. Vorsichtig schiebe ich ein Beine etwas vor und er empfängt es, in dem er dafür zwischen seinen Platz macht. Kurz zuckt er, dann pressen sich seine Lippen gierig auf meine. Eine seiner Hände sucht ihren Weg in mein Haar und verkrallt sich einen Moment lang darin. Ich mache das gleiche an seinem Rücken. Etwas Unbändiges wallt in mir auf, doch Nevis‘ Mund verlässt leise keuchend meinen.
»Wir sollten wirklich schlafen«, flüstert er.
»Ja, das sollten wir wohl.«
»Was machst du nur mit mir?« Seine eisig blauen Augen starren mich fiebrig an.
»Das könnte ich dich auch fragen.«
Ein kleines Lächeln umspielt seinen Mund. Ist mir schon einmal aufgefallen, wie überaus hübsch seine Lippen sind? Selbst wenn sie von der Kälte und meinen Küssen etwas lädiert sind, bleiben sie unwiderstehlich. Doch sein Blick wird plötzlich ganz ernst … und traurig.
»Ich vermisse Iria«, gesteht er unverhofft.
»Das verstehe ich.« Ich seufze hilflos. »Wenn wir in Sicherheit sind, solltest du dir die Zeit nehmen, um sie zu trauern, Nevis. Ich weiß, dass es im Moment nur der Überlebensinstinkt ist, der dich weitergehen lässt.«
»Und du, Maya.«
Ich erröte ein wenig.
»Während wir gelaufen sind, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken.« Er unterbricht sich durch ein Husten, nimmt danach aber den Faden wieder auf. »Ich konnte nicht verstehen, warum mein Herz so gebrochen war. Warum ich dich zurückgewiesen habe. Ich wusste nur, dass ich deine Nähe brauche. Doch jetzt weiß ich warum, Maya.«
»Warum?«, rede ich dazwischen und beiße mir dafür fast in die Wange.
»Weil ich dich liebe, Maya. Ich hätte es vom ersten Moment an wissen müssen.«
Liebe ich Nevis? Was sonst, außer Liebe, hat mich dazu gebracht, monatelang an einer Stelle zu sitzen und meine Hand gegen eine magische Barriere zu halten? Was, außer Liebe, hat mich blind durch einen Schneesturm wandern lassen?
»Ich liebe dich auch, Nevis«, sage ich und fühle es in meinem ganzen Herzen.
Am nächsten Morgen weckt mich Nevis‘ Husten. Ich presse seine Stirn an meine, zum Glück ist sie nicht heiß. Auch ich spüre bereits das verräterische Kratzen in meinem Hals und mein Körper fordert seinen Tribut für die letzten Tage. Mir tut nicht nur alles weh, ich fühle mich auch total schlapp. Nevis hingegen scheint, trotz des Hustens, in der Nacht Kraft geschöpft zu haben. Es fällt mir schwer aufzustehen, doch Pesco reicht mir eine Flasche mit Wasser und nach ein Paar Schlucken geht es schon etwas besser. Nevis rollt den Schlafsack zusammen und schultert seinen Rucksack. Pesco bietet an meinen zu nehmen und ich stimme dankbar zu.
»Heute Mittag sind wir am Orden«, verspricht er, was, neben Nevis‘ Hand in meiner, mein Herz vor Freude flattern lässt.
Wir gehen vielleicht zwei Stunden, als ich plötzlich ein Rufen vernehme. Pesco bleibt stehen und antwortet.
»Thais?«, ruft er.
»Ja!«
»Hier
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