Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
Staatssekretär sah müde aus, aber er lächelte.
»Mein lieber Lennart, kommen Sie herein. Ich habe Sie schon früher erwartet. Nehmen Sie Platz.«
»Danke. Ich ziehe es vor, stehen zu bleiben.«
Magnusson seufzte. »Sie sind aufgebracht wegen des Ausnahmezustandes, nicht wahr? Und dass wir Sie nicht eingeweiht haben. Das kann ich verstehen. Aber wir hatten leider keine andere Wahl. Je weniger von dieser Aktion wussten, desto größer war ihr voraussichtlicher Erfolg.«
»Von welchem Erfolg reden Sie?« Lennart konnte sich nur mühsam beherrschen. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass solch eine kleine Splittergruppe wie die Armee der Morgenröte für beide Anschläge verantwortlich war?«
»Natürlich war sie das nicht«, sagte Magnusson. »Die Armee der Morgenröte ist genauso wenig schuld an dem Bombenanschlag wie Sie oder Ihre Frau.«
Lennart verschlug es die Sprache. Er hatte mit allen möglichen Ausflüchten und Appellen an patriotische Gefühle gerechnet, aber nicht mit diesem Eingeständnis. »Und die Brücke in Tyndall?«, stotterte er.
»Geht auf unsere Rechnung. Wir brauchten einen guten Grund, um heute den Notstand ausrufen zu können.« »Aber wenn es keine Bedrohung gibt ...«
»Oh, die gibt es«, sagte Magnusson. »Und sie ist beängstigender, als Sie es sich vorstellen können. Aber bevor ich weitererzähle, muss ich Sie bitten, Platz zu nehmen.«
Lennart nickte benommen und setzte sich in einen der Sessel.
»Einen Branntwein? Ich weiß, Sie sind im Dienst, aber glauben Sie mir, wenn Sie gehört haben, was ich Ihnen zu sagen habe, werden Sie ihn brauchen.« Er stellte den gut gefüllten Schwenker vor ihm auf den Tisch. »Sind Sie mit den morländischen Legenden vertraut?«, fragte Magnusson.
»Zumindest mit denen, die mir meine Mutter zum Einschlafen vorgelesen hat.«
»Nun, was würden Sie davon halten, wenn ich Ihnen sagte, dass eine dieser Legenden keine Legende ist.«
»Dann würde ich Sie, mit Verlaub, für verrückt halten.« »Die Eskatay sind zurückgekehrt.«
Lennart hob die Augenbrauen. »Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil wir einen verhaftet haben. Er sitzt im Sicherheitsblock des Staatsgefängnisses ein. Es ist ein Junge von fünfzehn Jahren. Sie kennen ihn übrigens. Sein Name ist Hakon.«
Jetzt griff Lennart doch nach dem Branntwein. Er spürte, wie seine Hände zitterten. »Das war der Junge, der im Zirkus die Katzen ausgetauscht hat.«
»Ob dieser Trick zu seiner Begabung gehört oder nicht, haben wir noch nicht herausgefunden. Wir wissen, dass sein eigentliches Talent die Telepathie ist. Er kann Gedanken lesen.«
Lennart hatte einen kleinen Schluck der alkoholischen Flüssigkeit genommen und musste jetzt husten, als der Branntwein in den falschen Schlund gelangte. »Was sagen Sie da?«, krächzte er.
»Ah, ich vermute, Sie haben Bekanntschaft mit seiner Gabe gemacht.«
Lennart nickte. »Wie sind Sie auf den Jungen gekommen ?«
»Das ist eine lange Geschichte. Wir haben in der Nähe von Vilgrund eine Forschungsstation. Einer unserer Wissenschaftler ist gerufen worden, weil Nadja Tarkovski, die Tochterdes Zirkusbesitzers, eine schwere Lungenentzündung hatte. Dr. Mersbeck hat sie daraufhin mit einem Mittel behandelt, das – nun, sagen wir einmal – noch nicht die Zulassung erhalten hat. Das Medikament war jedenfalls ein voller Erfolg und Dr. Mersbeck bekam eine Freikarte für die Abendvorstellung.«
»Wie großzügig«, sagte Lennart ironisch.
»Wir sind froh, dass er dort hingegangen ist, sonst hätten wir nichts von Hakon Tarkovsksis verborgenem Talent erfahren. Er führte während der Vorstellung ein telepathisches Kunststück vor, das die Dorfbewohner leider sehr gegen die Zirkusleute aufbrachte. Nachdem der Zirkus aus Vilgrund verjagt worden war, haben wir seine Spur verloren. Bis wir sie wieder in Lorick aufnahmen. Hakon hat einen Beamten des Meldeamtes dazu gebracht, eine Aufführungsgenehmigung blanko zu unterschreiben. Wir mussten schnell handeln, als wir erfuhren, dass der Zirkus in Norgeby auftritt.«
»Aber wieso der Ausnahmezustand und die Verhaftungswelle?«
»Wir vermuten, dass Hakon nicht der einzige Eskatay ist. Und wir haben in etwa eine Vorstellung vom Profil eines magisch begabten Menschen. Wir müssen sie fangen, bevor sie Schaden anrichten können. Der letzte Krieg zwischen Menschen und Eskatay hat dazu geführt, dass beinahe alles Leben auf unserem Planeten ausgelöscht wurde.«
Lennart nahm noch einen Schluck von dem Branntwein.
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