Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
sich nicht um die Tat eines Serienmörders handelt, sondern um eine Reihe von Selbstmorden. Die Frau in der Schrottpresse ist die jüngste Leiche. Ich glaube, dass sie den anderen bei ihren Selbstmorden behilflich war und dafür gesorgt hat, dass eine Identifikation der Leichen unmöglich wird.«
»Sie gehen also davon aus, dass die Opfer sich kannten?«, fragte Magnusson und zog interessiert die Augenbrauen hoch.
Lennart nickte. »Die erste Leiche haben wir mit den Vermisstenanzeigen der letzten Jahre abgeglichen und sind dabei auf Karel Tsiolkovski gestoßen, der in Schieringsholm mit einer Helen Sigrunsdottir zusammenlebte und dort in einer Druckerei beim Arsenalplatz arbeitete.«
»Waren die beiden verheiratet?«, fragte Norwin.
»Ja, obwohl wir annehmen müssen, dass er unter falschem Namen lebte.«
»Gibt es ein Bild von diesem ... Tsiolkovski?«
Lennart schüttelte bedauernd den Kopf. »Allenfalls eine Schriftprobe. Wir werden morgen einen Polizeizeichner zu der Frau schicken, aber ich habe wenig Hoffnung. Wenn eralle Hinweise auf seine Existenz verwischt hat, werden wir nicht mehr als das Bild eines Dutzendgesichtes in den Händen halten.«
»Was ist mit der Druckerei?«
»Die ist schon seit beinahe zwei Jahren geschlossen. Wir versuchen gerade, den ehemaligen Besitzer ausfindig zu machen.« Lennart zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. »Aber das dauert seine Zeit. Das Rohrpostsystem ist unzuverlässig und die städtischen Beamten sind nicht die schnellsten. Wir werden uns wahrscheinlich selber durch die Archive der Handelskammer wühlen müssen.«
»Also haben wir letzten Endes nichts in der Hand«, sagte der Präsident.
»Was ist mit der Presse? Haben Sie die im Griff?«, fragte nun Norwin.
Lennart stieg das Blut ins Gesicht, als er an seinen ersten verpfuschten Einsatz dachte. »Seit dem Anschlag stehen wir nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses.«
»Arbeiten Sie mit ihr zusammen«, schlug Norwin vor. »Füttern Sie sie mit allem, was Sie haben. Man glaubt gar nicht, was alles aus einem Busch herausgekrochen kommt, wenn man ihn mit einem großen Knüppel bearbeitet.«
»Aber ich habe gedacht, Sie wollten, dass wir diskret ermitteln, damit in der Bevölkerung keine Unruhe entsteht?«, entgegnete Lennart.
»Nun, Sie sagen doch selbst, dass es sich bei den Fällen um Selbstmorde handelt«, sagte Präsident Begarell.
»Ja, aber es ist bislang nur eine Theorie«, gab Lennart zu bedenken.
»Doch eine sehr plausible, wie mir scheint. Was meinen Sie, Minister?« Begarell drehte sich zu Norwin um. »Absolut, Herr Präsident.«
»Ich muss auch sagen, lieber Chefinspektor, Sie leisten hervorragende Arbeit«, sagte Magnusson gut gelaunt. »Wissen Sie was? Nehmen Sie sich heute frei. Unternehmen Sie etwas mit Ihrer Familie!«
Begarell stand auf und mit ihm die anderen Männer in seiner Begleitung. »Ich bedanke mich bei Ihnen. Und ich kann mich meinem Staatssekretär nur anschließen. Wir sind froh, Sie in unseren Reihen zu wissen.«
Lennart lächelte ein wenig verhalten.
»Kramfors wird Sie nach unten begleiten«, sagte Magnusson. Ohne dass es Lennart bemerkt hatte, stand der Soldat auf einmal neben ihm und fasste ihn sanft, aber bestimmt am Arm, als wollte er ihn abführen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Lennart folgte ihm.
Auf der Fahrt hinunter in die Eingangshalle war Lennart wie betäubt. Erst als ihn Kramfors am Haupteingang ohne ein Wort des Abschieds in die reale Welt entließ und Lennart die Stufen hinabstieg, glaubte er, aus einem bizarren Traum zu erwachen. Was zum Teufel war da gerade vorgefallen? Er hatte die wichtigsten Männer des Staates getroffen, ihnen in einigen dürren Sätzen vom Stand der Ermittlungen berichtet und man hatte ihm anerkennend auf die Schulter geklopft. Das war es. Mehr war nicht geschehen. Keine weiteren Fragen wurden gestellt, keine Vorwürfe erhoben angesichts des kläglichen Untersuchungsergebnisses, man hatte nur heitere Gelassenheit demonstriert.
Ein schaler Geschmack machte sich in seinem Mund breit. Lennart war nun klar, dass man ihn benutzte. Hatte er vorher noch Zweifel gehabt, so waren sie durch diese Unterredung ausgeräumt worden. Doch was war seine Rolle? War er ein Bauernopfer, das man im Bedarfsfall der Presse zum Fraß vorwerfen würde? Oder hatte man andere Pläne mit ihm, von denen er noch nichts ahnte?
Lennart stieg in den Bus, der ihn nach Hause bringen würde. Magnusson hatte vorgeschlagen, dass er den Rest des Tages freinehmen
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