Morland 02 - Die Blume des Bösen
neu zu vernähen. Außer einem Ziehen spürte Mersbeck nichts. »Nehmen Sie trotzdem noch einen Rat von mir an? Sie sollten den rechten Fuß in den nächsten Tagen nicht belasten, sonst habe ich meine Arbeit umsonst gemacht.« Sie schnitt den Faden ab und packte alles wieder ein. Dann wurden Mersbeck neue Verbände angelegt und Doktor Grozny ging. Mersbeck hatte sich noch überlegt,ob er sich bei der Ärztin entschuldigen sollte, es dann aber doch gelassen. Freunde würden sie ohnehin nicht mehr werden.
Als auch der Pfleger das Zimmer verlassen hatte, schlüpfte er in die Sandalen und klemmte sich die Krücken unter die Achseln. Er war versucht sich auf den rechten Fuß zu stellen, doch wusste er, dass die Abwesenheit der Schmerzen nur auf das Betäubungsmittel zurückzuführen war. Die Schmerzen im linken Fuß blieben, wenn er ihn nicht zu sehr belastete, dank der wundersamen Sandalen erträglich. Dieses improvisierte Schuhwerk sah zwar grotesk aus, aber es erfüllte seinen Zweck – und das war die Hauptsache. Mersbeck humpelte zu seinem Kleiderschrank und zog sich an. Dann beschloss er, Strashok einen Besuch abzustatten.
»Es freut mich, Sie wieder auf den Beinen zu sehen«, sagte der Minister und schob einen Sessel so zurecht, dass Mersbeck ohne Probleme Platz nehmen konnte. Er lehnte die Krücken gegen den wuchtigen Schreibtisch und streckte seine Füße aus.
»Doktor Grozny hat mir erzählt, dass Sie ein ziemlich zäher Hund sind«, sagte Strashok und nahm in seinem Arbeitsstuhl Platz. Er drückte einen Knopf und die Tür wurde von außen geöffnet.
»Bringen Sie uns bitte einen Tee«, sagte er zu seinem Sekretär, der daraufhin wieder entschwand.
»Ich könnte schwören, dass Doktor Grozny eine weniger schmeichelhafte Wortwahl getroffen hat«, erwiderte Mersbeck. »Wie ist die Stimmung nach diesem Unfall?«
»Man redet«, gab Strashok zu. »Wir haben zwar versucht, die Überreste verschwinden zu lassen, aber jemand hat die Schweinerei doch zu sehen bekommen.« Strashok zuckte mit den Schultern, als sei dies ein Problem, das man getrost auf die leichte Schulter nehmen konnte, weil er es auf seine Art aus der Welt schaffen konnte: mit Geld, oder wenn das nicht fruchtete, mit handfesten Drohungen. Es wäre eine glatte Untertreibung gewesen zu behaupten, dass der Leiter von Station 11 von seinen Untergebenen gefürchtet wurde. Man hatte Todesangst vor Strashok, denn er konnte mit einem Federstrich ganze Existenzen zerstören.
»Nun, wie auch immer«, fuhr er fort. »Ich habe dem Präsidenten die Nachricht zukommen lassen, dass die Operation Eskaton in die nächste Phase treten kann. Er hat die Botschafter und Teile des diplomatischen Korps bereits nach Lorick einbestellt.«
»Zweihundert Blumen«, sagte Mersbeck nachdenklich. »Und Sie glauben, das reicht aus ?«
»Wir haben bereits Strohmänner beauftragt, die an den internationalen Rohstoffbörsen alles Rhodium aufkaufen sollen.«
»Das dürfte den Preis ganz schön in die Höhe treiben«, sagte Mersbeck.
»Geld spielt in diesem Fall nun wirklich keine Rolle. Nächste Woche beginnen wir hier in Station 11 mit dem Bau einer Anlage, in der die Blumen industriell gezüchtet werden sollen«, antwortete Strashok.
Mersbeck runzelte die Stirn. »Wann wollen Sie die erste Ladung nach Lorick bringen?«
»Die Unverwundbar legt morgen ab.«
»Ich würde gerne mitfliegen«, sagte Mersbeck.
»Warum?«, fragte Strashok misstrauisch.
»Jemand sollte Professor Haxbys sterbliche Überreste nach Lorick überführen und seine Frau persönlich vom Tod ihres Mannes in Kenntnis setzen«, log Mersbeck. »Soviel ich weiß, hat er auch noch zwei erwachsene Kinder, die zurzeit in der Hauptstadt studieren.«
Strashoks Züge entspannten sich. »Eigentlich kann ich Sie nicht gehen lassen. Auf Sie wartet ein Berg von Arbeit.«
»Gestern wollten Sie mich noch für zwei Wochen krankschreiben«, sagte Mersbeck und lächelte. »Im Ernst: Haxby war ein verdienter Mann. Seine Familie hat etwas Besseres verdient als ein formloses Beileidsschreiben.«
»Sind Sie sicher, dass Sie die Reise überstehen?«
»Keine Angst. Doktor Grozny hat mich so weit wiederhergestellt.«
Strashok legte die Fingerspitzen aneinander und dachte nach. »Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn jemand von uns den Transport beaufsichtigt. Der Kapitän ist zwar ein loyaler Diener seines Staates ...«
»... aber er ist ein Mensch«, vollendete Mersbeck den Satz.
Strashok nickte. »Dann reisen Sie mit.
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