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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Alle anderen Warenhäuser, Restaurants und Cafés hatten, wie ungelenk beschriebene Zettel erklärten, ohne Angaben von Gründen bis auf Weiteres geschlossen. Nun, jeder konnte sehen, was auf den Straßen geschah. Ansammlungen, die aus mehr als drei Menschen bestanden, wurden aufgelöst. Selbst Frauen mit kleinen Kindern mussten sich an den zahlreichen Kontrollpunkten durchsuchen lassen. Ein Mann, der auf der Mitte des nun nicht mehr ganz so befahrenen Brandenburg- Prospektes stand und ein Schild mit der Aufschrift »Warum?« um den Hals trug, wurde geschlagen, verhaftet und abtransportiert. Alles natürlich im Namen des Kampfes gegen staatsfeindliche Elemente.
    Doch es gab nicht viele, die hinschauten. Die meisten ignorierten, was geschah, und passten sich an, machten sich unsichtbar. Tess versuchte, sich unauffällig in diese Schar einzureihen und so nach Süderborg zu gelangen.
    Es gab zwei Möglichkeiten, um zum anderen Ufer der Midnar zu gelangen. Entweder benutzte Tess ein Stück flussaufwärts eine Fähre oder sie nahm die Brücke. Egal, für welchen Weg sie sich entschied, sie wurden beide streng kontrolliert. Tess wählte die Brücke, denn für ihre Benutzung musste sie wenigstens keinen Zoll entrichten. Im Vorübergehen wischte sie mit der Hand etwas von dem allgegenwärtigen teerartigen Dreck auf und rieb ihn sich ins Gesicht. Dann reihte sie sich selbstbewusst mit verschränkten Armenin die Schlange derer ein, die wie sie nach Süderborg wollten.
    Die Männer vor ihr waren alles Hafenarbeiter, frühzeitig gealtert und nur daran interessiert, sich und ihren Familien ein Auskommen zu sichern. Was die Soldaten hier trieben, wen sie vor was zu beschützen vorgaben, war ihnen wohl ziemlich egal. Einige schwankten, als wären sie alkoholisiert, aber niemand roch nach Bier oder billigem Branntwein. Sie schienen einfach nur müde zu sein. Tess’ Körperhaltung lockerte sich ein wenig. Sie schob die Schultern vor und ließ den Kopf ein wenig auf die Brust sinken, denn sie wollte nicht auffallen, indem sie ruhig und ausgeschlafen wirkte.
    Aber auch die Soldaten machten einen erschöpften Eindruck. Das Einzige, was sich in ihren Augen spiegelte, war die Sehnsucht nach ein paar Stunden Schlaf und ganz entschieden nicht der Drang, Arbeiter auf dem Weg zum Hafen zu kontrollieren. Trotzdem ließen sie sich von jedem den Ausweis zeigen. Das dauerte natürlich und zerrte an den Nerven derjenigen, die in der Schlange ganz hinten standen und nun immer lauter gegen die Schikane protestierten.
    Als nur noch drei Männer vor ihr waren, stockte die Überprüfung erneut. Tess konnte nicht erkennen, was der Grund dafür war, aber die Verzögerung reichte aus, um die Stimmung vollends kippen zu lassen. Aus dem Murren wurde ein Fluchen, das sich schnell in wüste Beleidigungen verstieg. Die beiden Soldaten wurden nervös, wichen ein Stück zurück und bliesen auf ihren Pfeifen, um ihre Kameraden am anderen Ende der Brücke zu alarmieren. Doch die brauchten keine Warnung, denn der Aufruhr erfuhr auf der anderenSeite sein Echo. Ein Warnschuss wurde in die Luft abgegeben, und als wäre dies das Zeichen, auf das alle gewartet hatten, brach der Sturm los.
    Die Soldaten hatten der Woge nichts entgegenzusetzen, die auch Tess mitriss. Weitere Schüsse peitschten auf und gingen in den lauten Schreien der Getroffenen unter. Tess wurde eingeklemmt. Man trat ihr auf die Füße, sie wurde gestoßen und erhielt einen Schlag gegen die Schulter. Tess war zu klein, als dass sie sehen konnte, was geschah. Als sie dann noch einen, wenn auch unbeabsichtigten Schlag ins Gesicht bekam, rempelte sie so lange zurück, bis sie genug Platz hatte, um sich am Geländer festhalten zu können.
    Von dort aus konnte sie sehen, wie die vier Soldaten von der Brücke geworfen wurden, wild in der Luft zappelten und nach einem Sturz von einhundert Fuß hart auf dem Wasser aufschlugen; keiner von ihnen tauchte wieder auf. Jubel brandete auf und Tess lief es eiskalt den Rücken hinab. Die Menge hatte sich in einen mordenden Mob verwandelt. Sie musste so schnell wie möglich das andere Ufer erreichen, denn dies hier würde mit Sicherheit kein gutes Ende nehmen. Unter Einsatz ihrer Ellbogen kämpfte sie sich weiter, stieß Männer beiseite, die die Statur von Gewichthebern hatten, und arbeitete sich so über die Brücke, wo die Menge nicht ganz so dicht zusammengedrängt stand.
    Plötzlich hörte Tess über sich ein tiefes Brummen. Die silberne Hülle eines Luftschiffes

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