Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
Vom Netzwerk:
kleinen Schrank fest. Das Glas Wasser, das auf ihm stand, fiel zu Boden und Mersbeck trat in die Scherben. Aber das spürte er schon gar nicht mehr. Blutige Spuren hinter sich lassend, kämpfte er sich hinaus auf den Korridor, wo er einem Pfleger in die Arme fiel.
    »Verdammt, was machen Sie hier!«, fuhr er Mersbeck an. »Los, sofort zurück mit Ihnen ins Bett.« Dann sah der Pfleger Mersbecks Füße und stieß einen Fluch aus.
    Aber Mersbeck konnte sich jetzt nicht mit so etwas aufhalten. Er musste handeln. Mit letzter Kraft aktivierte er seine Begabung, und die Welt erstarrte wie in zähem Gelee. Mersbeck riss sich los und rannte den Korridor hinunter. Erleichtert atmete er aus. Da er die Zeit verlangsamt hatte – oder für sich beschleunigte, es kam immer auf den Standpunkt des Betrachters an –, war die Verbindung zum Kollektiv automatisch unterbrochen, und somit hatte er auch keinen Kontaktmehr zu der Quelle dieses unerträglichen Schmerzes. Das führte aber zu einem anderen Problem: Er konnte Haxbys Zimmer nicht sofort ausfindig machen. Mersbeck rannte, so schnell er konnte, rutschte aber auf seinem eigenen Blut immer wieder aus. Dann endlich fand er den Leiter von Station 6. Und was er sah, ließ beinahe sein Herz versagen.
    Haxby schwebte aufrecht und mit ausgestreckten Armen über seinem Bett. Seine Haare bewegten sich wie Seeanemonen in einer Meeresströmung. Die Augen waren wie zwei rote Murmeln in einem Kopf, der so angeschwollen war, dass er kurz vor dem Platzen schien. Aber das war nichts gegen den Körper, der ausgestreckt auf dem Boden lag. Mersbeck konnte nur an der Kleidung erkennen, dass es einmal ein Mensch gewesen sein musste. Irgendwie war er innerhalb kürzester Zeit so schnell gealtert, dass er wie eine ausgetrocknete, ledrige Mumie aussah. Mersbeck verstand noch immer nicht, was geschehen war, und ließ die Zeit wieder schneller verstreichen.
    Das hätte er nicht tun sollen. Haxby wurde sich auf einmal bewusst, dass er nicht alleine im Raum war. Wie eine Furie stürzte er sich auf Mersbeck, der im letzten Moment auswich. Dennoch konnte er es nicht verhindern, dass der zu einem Monster mutierte Mann ihn am Arm berührte.
    Mersbeck glaubte, jemand griffe mit einer kalten Hand nach seinem Herzen. Er schaute an seinem Arm hinunter, dessen Haut auf einmal schlaff und runzelig war. Mersbeck bremste die Zeit wieder ab, doch Haxbys Bewegungen verlangsamten sich nicht – und da verstand er, welche magische Begabung der Leiter von Station 6 erworben hatte. Er konntenicht nur Menschen ihre Lebenskraft rauben, sondern auch noch die Fähigkeiten eines anderen Eskatay adaptieren.
    »Hören Sie auf damit«, schrie er Haxby an, doch der antwortete nicht. Stattdessen riss er den Mund auf und stürzte sich auf Mersbeck, der wenig elegant zur Seite hechtete.
    Irgendetwas musste geschehen, dachte er. Wenn er dieses Monstrum nicht aufhielt, würde es zu einer Katastrophe kommen. Dann waren nicht nur die Menschen hier in der Station in Gefahr, sondern auch die anderen Eskatay.
    Professor Haxby hatte sich durch die Infektion mit der Blume in einen unbe siegbaren Übermenschen verwandelt. Doch es musste eine Schwachstelle geben. Er wusste nur nicht, wo sie lag.
    Mersbeck sprang auf und rannte, so schnell er konnte, hinaus auf den Korridor, wo die Menschen noch immer inmitten ihrer Bewegungen festgefroren waren. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Haxby aus seinem Zimmer herangeschwebt kam und sich ihm an die Fersen heftete.
    Jemand, der zu solch beeindruckenden Dingen in der Lage war, musste einen enormen Energiebedarf haben, dachte Mersbeck hektisch. Er musste Haxby aushungern, und das konnte er nur, wenn er ihn irgendwo einsperrte. Mersbeck überlegte fieberhaft, welcher Ort der Station am besten dafür geeignet war. Es gab ein Hochsicherheitslabor im vierten Tiefgeschoss, aber dazu mussten sie entweder den Aufzug oder das Treppenhaus nehmen. Der Gedanke, mit dieser Bestie auf engstem Raume zusammengepfercht zu sein, war nicht besonders angenehm. Dennoch musste er sich beeilen.Die Frage war nämlich: Wie viel Energie konnte Haxby aufnehmen, ohne zu platzen? Gab es überhaupt ein Limit für ihn? Oder fand er vorher einen Weg, sich zu entladen? Immerhin hatte er schon Mersbecks Begabung assimiliert.
    Das alles waren Überlegungen, die vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt Mersbecks hoch entwickelten Intellekt beflügelt hätten, doch im Moment ging es um das nackte Überleben. Womit konnte er

Weitere Kostenlose Bücher