Morland 02 - Die Blume des Bösen
einen Amok laufenden Eskatay in die Knie zwingen?
Wissdorns Labor! Es befand sich auf demselben Stock, aber im nördlichen Bogen des c-förmigen Hauptgebäudes. Obwohl Mersbeck wusste, dass er sich damit in Gefahr begab, schaute er immer wieder über die Schulter, nur um zu sehen, dass die Gestalt immer näher auf ihn zuschwebte.
Mersbeck rannte um sein Leben.
Langsam spürte er die Schmerzen in seinen aufgeschnittenen Fußsohlen, die noch immer stark bluteten. Er versuchte, die Zeit noch mehr zu verlangsamen, um so vielleicht einen Vorsprung herauszuholen, aber Haxby passte sich der Geschwindigkeit mühelos an.
Es war zwecklos. Wenn Mersbeck den Fluss der Zeit noch mehr abbremste, würde der Widerstand der Luft zu groß werden. Also riss er Aktenwagen und Stühle um, die dem Verfolger den Weg versperren sollten, obwohl Mersbeck wusste, dass hier wohl nur eine massive Stahltür helfen würde. Und selbst da war er sich noch nicht einmal sicher.
Mit aller Kraft warf er sich gegen die Labortür, die träge aufschwang, und lief an einem festgefrorenen Wissdorn vorbei auf die Generatoren zu, die abseitsstehend für die Stromversorgungder verschiedenen Versuchsanordnungen sorgten. Eines der Geräte, das ein wenig an ein Schneckenhaus erinnerte, war schwarz und verkohlt. Das musste der Generator gewesen sein, der durchgebrannt war. Wenn Mersbeck dasselbe Kunststück mit den anderen fünf Aggregaten gelang, hatte er gewonnen. Dumm war nur, dass er sich mit Elektrizität nicht besonders gut auskannte.
Deswegen tat er das, was in dieser Situation wohl jeder andere Laie auch getan hätte. Hastig drückte er alle Knöpfe und Hebel, die sich in Reichweite seiner Hände befanden. Gleichzeitig hob er einige schwere Werkstücke als potenzielle Wurfgeschosse auf und wirbelte herum.
Haxby schien ein ganzes Stück gewachsen zu sein. Der Kopf hatte jetzt die Ausmaße eines überreifen Kürbisses, sodass die roten Augen im aufgequollenen Fleisch fast verschwanden. Er wirkte lächerlich und aufgeblasen wie ein knopfäugiges Teigmännchen. Und Mersbeck hätte bestimmt auch gelacht, wenn er nicht Angst um sein Leben gehabt hätte. Noch immer war Haxby in seinen Bewegungen träge wie eine Qualle und er schien nicht zu ahnen, was Mersbeck vorhatte. Aber dennoch war er gefährlich.
Wissdorn, der in seiner verlangsamten Welt vor einem Tisch stand und die Hand an einem Regler hatte, schien nun etwas zu bemerken. Langsam hob er den Kopf, wobei er die Augen zu einem trägen Blinzeln schloss. Das grüne Licht der Leuchtstoffröhren flackerte pulsierend. Und erst jetzt schien Haxby zu bemerken, dass er nicht mit Mersbeck allein war. Augenblicklich ließ er von dem Eskatay ab und wandte sich dem Menschen zu. Mersbeck stieß einen Schrei aus und warfdas Werkstück. Sobald es seine Hand verließ, verlangsamte sich sein Flug, aber dennoch traf es Haxby am Kopf, beschleunigte dabei und fiel zu Boden. Die aufgeblähte Gestalt zeigte sich unbeeindruckt davon. Haxby streckte seine Hand aus und berührte den erstarrten Wissdorn an der Schulter. Fast augenblicklich setzte der Verfallsprozess ein, wanderte den Arm hinunter und verwandelte das Gesicht des Physikers langsam in das einer ausgedörrten Leiche, die panisch Mund und Augen aufriss.
Mersbeck war augenblicklich klar, dass er Wissdorn nicht mehr helfen konnte. Er warf einen Blick auf die Generatoren, die viel zu langsam ihre Drehzahl erhöhten. Er hatte nur noch eine Chance: Er musste in die Normalzeit zurückspringen und konnte nur hoffen, dass er Haxby dabei mitriss.
Wissdorn zerfiel innerhalb von Sekunden zu Staub und Haxby blähte sich noch ein Stück weiter auf. Das Leiern der Dynamos steigerte sich zu einem schrillen Kreischen. Mit einem Satz sprang Mersbeck aus dem Labor und lehnte sich an die Wand in der Hoffnung, dass sie den größten Teil der elektromagnetischen Wellen von ihm fernhielt.
Blitze zuckten auf und das Kreischen wurde vielstimmig. Mersbeck lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er den menschlichen Anteil daran erkannte. Es gab einen heftigen Schlag, der Mersbeck beinahe das Bewusstsein raubte und im ganzen Korridor das Licht verlöschen ließ. Dann kehrte Stille ein.
Mersbeck sah die Welt wie durch einen Schleier hindurch, aber wenigstens war das Kreischen nicht mehr da. Mühsam kämpfte er sich auf die Füße und stieß die Tür auf. Der Anblick,der sich ihm bot, war so bizarr, dass er zunächst nicht verstand, was er da sah. Und als er es endlich begriff, taumelte
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