Morpheus #2
– wahrscheinlich wollte er seine Freude mit Dominick teilen.
Dominick sagte sich, dass es Dinge gab, für die es sich lohnte, gefeuert zu werden. Gracker gehörte nicht dazu. Hätten sich in diesem Moment ihre Blicke getroffen, Dominick hätte für nichts garantieren können. Also konzentrierte er sich ganz auf Andy Maus.
«Das Ganze gehört eben vors Bundesgericht», fuhr Maus fort. «Geldwäsche und Beihilfe zum Betrug sind ziemlich gut, wenn es um die großen Fische in den Kartellen geht. Wenn er verurteilt wird, kriegt er die Hucke voll und landet an einem nicht sehr netten Ort. Gotti haben sie wegen Betrug nach Leavenworth geschickt. Ehrlich gesagt, wir haben so gut wie nichts in der Hand. Wer weiß? Vielleicht redet Valle. Vielleicht verrät er, wer das Zeug bestellt hat. Wenn er überhaupt was weiß.» Sie hatten die Rolltreppe erreicht, und Maus blieb stehen. Er sah frustriert aus. «Hört zu», sagte er und senkte die Stimme um einen Dezibel. «Ich will offen sein, Jungs. Morpheus ist ein toter Fall, was die Ermittlung angeht. Sowohl Brueto als auch LBJ sind unter der Erde und Fat Mack ebenfalls, nachdem ihn jemand mit einer Zielscheibe auf der Stirn in den Knast gesteckt hat.»
«Verdammt. Er sollte doch in Sicherheitshaft», schnaubte Manny.
«War er aber nicht. Und jetzt ist er tot. Gott sei Dank hat Masterson noch seine Aussage aufgenommen und wir haben die Bücher, sonst säße Valle jetzt nicht hinter Gittern. Ich hätte ihn auch lieber vor dem Landesgericht gesehen, aber so laufen die Dinge eben nicht. Wir haben einen blutigen Krieg auf der Straße, und keiner macht den Mund auf. Sie knallen sich gegenseitig ab. Nacht für Nacht. Es ist keiner mehr übrig, keine Zeugen. Wir sind alle schwarzen Listen durchgegangen. Bei der IA haben sie alle Nebenjobs überprüft. Wir haben getan, was wir konnten.»
«Es ist zum Kotzen», sagte Manny.
«Aber nicht zu ändern, Kumpel. Jetzt übernehmen die anderen, und ihr solltet euch auf die Schulter klopfen, dass ihr Valle so weit gekriegt habt. Das hat bis jetzt noch keiner geschafft», sagte er. Dann drehte er sich um, strich sich den Anzug glatt und winkte ihnen noch einmal zu, bevor auf der Rolltreppe nach unten verschwand.
Dominick spürte Grackers Blick im Rücken, das Grinsen ließ seine feisten roten Wangen leuchten.
Er würde sich nicht umdrehen, die Genugtuung würde er dem Fettsack nicht gönnen. Während der nächsten zwei gottverdammten Jahre müsste er ihm noch oft genug gegenüberstehen, wenn die Feds ihre Deals abwickelten. Gracker würde sich ins Fäustchen lachen. Doch, wie Dominicks italienische Verwandte zu sagen pflegten, Rache schmeckte am besten, wenn man sie kalt servierte.
An diesem Gedanken hielt er sich fest.
«Lass uns gehen, Bär», sagte er zu Manny und betrat mit ihm die Rolltreppe nach unten.
Im ersten Stock sah er sie dann. Manny hatte sie zuerst entdeckt.
«Hey, Boss! Hoh!», rief er. C. J. war die einzige Staatsanwältin, über deren Anblick der Bär sich freute. Dominick drehte sich auf der Rolltreppe um, und plötzlich war sie da.
«Hallo», sagte sie leise. Sie sah müde und ab-gemagert aus und drückte einen Arm voller Aktenordner an die Brust. Dominick wusste, dass sie, wenn ihre Albträume am schlimmsten wurden, die Augen einfach nicht mehr zumachte. Wochenlang verbrachte sie ohne Schlaf und hielt sich nur mit kurzen Mittagsschläfchen über Wasser. Um sie bei Laune zu halten, hatte er in solchen Zeiten haufen-weise Filmkomödien aus der Videothek ausgeliehen und ihr stundenlang den Rücken massiert.
«Hi», sagte er. Manny machte sich taktvoll aus dem Staub.
«Ich habe gehört, dass das FBI Valle übernimmt», sagte sie. «Tut mir Leid.»
«Mal gewinnt man, mal verliert man.» Er sah zu ihr auf, und endlich trafen sich ihre Blicke. «Kannst du schlafen?»
«Ja, ja», log sie und sah zur Seite. Sie rückte sich die Sonnenbrille zurecht, wahrscheinlich um die dunklen Augenringe zu verbergen. «Ich arbeite an einem Prozess. Du weißt ja, wie das ist.»
«Schon wieder? Viel Glück.» Er sah wieder nach unten zur Lobby, die schnell näher kam.
«Ich vermisse dich», sagte sie leise hinter ihm.
«Ich dich auch», antwortete er. Dann war er unten und tauchte in die Menge ein. Er verließ das Gebäude durch die große Glastür und verschwand draußen im warmen Nachmittag.
ACHTZIG
Langsam verließ C. J. Saal 6-7 und zog den Wagen hinter sich her zum Fahrstuhl. Wieder ein Angeklagter, wieder ein Haufen Akten.
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