Morpheus #2
Pagernummer. Hören Sie, ich habe Andy Maus schon angerufen, aber er ist nicht in der Stadt. Mein Gott, es tut mir so Leid, aber…»
Er zögerte. Seine Stimme zitterte, als er nach den richtigen Worten suchte. «Verdammt, C. J. er hat wieder zugeschlagen. Es ist schlimm, verdammt schlimm.»
Er hielt inne.
«C. J. – es ist Dom…»
EINUNDACHTZIG
«Gute Nacht, Ms. Townsend», sagte der Sicher-heitsbeamte, als er die vordere Glastür aufschloss, die zum Parkplatz führte. «Soll ich Sie wirklich nicht zum Auto bringen?»
C. J. schüttelte den Kopf und hastete über den leeren Platz. Ihre Absätze klackten laut auf dem sandigen Asphalt. Mit einer Hand suchte sie in der Tasche nach dem Schlüssel, mit der anderen wischte sie sich die Tränen ab, die ihr über das Gesicht liefen und alles vor ihren Augen verschwim-men ließen. In ihrer Eile hatte sie die Akten und den Laptop einfach stehen lassen und auch ihre Jacke vergessen. Sie hörte den Wachmann vor sich hin schimpfen, dann schloss er die Tür und sperrte zum zweiten Mal hinter ihr ab.
Tagsüber herrschte reges Treiben in diesem Teil der Innenstadt, und man konnte froh sein, wenn man überhaupt einen Parkplatz fand. Doch nachts war hier nichts als schwarze Asphaltwüste, die Gegend im Schatten des Dolphin Expressway wirkte öde und verlassen.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals, und sie versuchte die Angst hinunterzuschlucken, als sie zu ihm Wagen rannte. Sie musste nachdenken, durfte nicht in Panik geraten. Vielleicht stimmte es nicht, vielleicht hatten sie ihn falsch identifiziert. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht. Lieber Gott, bitte mach, dass sie sich geirrt haben…
Ihr Stellplatz befand sich hinter dem Gebäude auf dem großen Parkplatz, der an die 13. Straße an-
grenzte, eine verlassene Einbahnstraße. Weit weg von der hell erleuchteten Lobby, von den buschigen Wedeln einer Palme verdeckt. Auf der anderen Seite der 13. Straße begann das schwarz asphaltierte Niemandsland der Geschworenen-Parkplätze, das bis zu einer dichten Böschung unterhalb der Highway-Überführung reichte.
Endlich fand sie im Gewühl ihrer Tasche den dicken Schlüsselbund. Sie betastete die kühle Mündung der .22-Kaliber-Pistole, die ihr Vater ihr vor Jahren gekauft hatte. Ohne die sie nirgendwo hinging, außer in den Gerichtssaal, wo Waffen verboten waren.
Sie kramte den Schlüssel heraus und schloss die Wagentür auf, ein Finger auf dem Panikknopf, den sie am Schlüsselbund trug. Selbstverteidigungskurse und vierzehn Jahre reale Schauergeschichten hatten sie gelehrt, dass eine Frau am wenigsten konzentriert und damit am verwundbarsten war, wenn sie gerade ihre Wohnung betrat oder in den Wagen stieg. C. J. achtete streng darauf, dass ihr das nicht passierte, selbst auf einem vollen Super-marktparkplatz mitten an einem sonnigen Nachmittag.
Schnell öffnete sie die Tür und stieg ein, die Handtasche warf sie auf den Beifahrersitz. Sobald sie hinter dem Lenkrad saß, drückte sie auf die Tür-verriegelung und sperrte die Nacht aus. Dann holte sie Luft und drehte den Schlüssel im Zündschloss.
Mit zitternden Fingern startete sie den Wagen.
Ein knisterndes Rauschen erfüllte den Jeep Cherokee. Ihr Blick fiel auf die Stereoanlage. Im Kasset-tendeck steckte ein Band.
Gänsehaut lief ihr eiskalt über den Rücken. Sie spürte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten. Dann zerriss die beklemmend ruhige Stimme der Notrufzentrale das elektrische Summen der aufgenommenen Stille.
«Neuneinseins. Um was für einen Notfall handelt es sich?»
«Da ist ein Wagen. Ein neuer schwarzer Jaguar XJ8. Er fährt auf der
Washington Avenue in südlicher Richtung. Er hat zwei Kilo Kokain im Kofferraum und ist auf dem Weg zum Flughafen. Er nimmt den Mac-Arthur Causeway, Jails Sie ihn auf der Washington verpassen.»
«Wie heißen Sie, Sir? Von wo rufen Sie an?»
Dann klickte es, und die Leitung war tot.
Sie war wie gelähmt. Als sie das nächste Geräusch hörte, stockte ihr Herz. Auf dem Rücksitz setzte sich jemand auf, dann tauchte ein vertrautes Gesicht im Rückspiegel auf.
«Hallo, C. J.», flüsterte es aus der Dunkelheit hinter ihr. «Oder soll ich heute Nacht Chloe zu Ihnen sagen?»
ZWEIUNDACHTZIG
Dominick klappte den Laptop zu und schloss die dicke Akte, die vor ihm lag. Auf dem Konferenztisch lagen immer noch die grünen Mappen mit den Berichten im Fall Morpheus FDLE 03-0566492, die bald im Archiv landen würden. Die Task-Force war offiziell aufgelöst,
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