Morpheus #2
die Mitglieder zurück in ihre Abteilungen geschickt worden. Morgen würde das Betrugsdezernat aus dem Exil zurückkehren und ihre Räume wieder mit Beschlag belegen. Die Kopiergeräte, Computer und die Sekretärin wurden anderen Abteilungen zugeteilt. Man hatte die Fotos der vier getöteten Polizisten bereits von der Wand genommen und in den jeweiligen Akten archiviert, wo sie auf unbegrenzte Dauer liegen würden, gemäß der Sunhine Laws als öffentliche Dokumente für immer einsehbar. Nur die anhaltende Wachsamkeit des Archivhüters, der Rechtsabteilung und der Staatsanwaltschaft konnte dafür sorgen, dass die grässli-chen Bilder nicht völlig unzensiert an die Öffentlichkeit gelangten, von Zeitungen gedruckt oder im Internet gezeigt wurden. Honorare für Autopsiebilder von Gianni Versace oder seinem Mörder Andrew Cunanan hatten 1997, auf dem Gipfel der Medien-hysterie, Preise von bis zu 250000 Dollar erzielt.
Die Fotos eines verstümmelten toten Polizisten in Uniform würden leider auch ein paar große Scheine einbringen.
Dominick lehnte sich in den quietschenden alten Lederstuhl zurück, den er vor siebzehn Jahren vom Bronx Police Department nach Miami mitgenommen hatte, und rieb sich die Augen. Zu dem Kaffee aus der Mikrowelle zündete er sich eine
Marlboro an. Er sog den scharfen Rauch rief in die Lungen und spürte, wie er sich ein wenig entspannte. Er zählte nicht mehr, wie oft er das Rauchen schon aufgegeben hatte. Nur seltsam, dass er diesmal wieder damit anfing, nachdem der Fall gelöst und seine Karriere gerettet war. Nachdem der Stress offiziell vorüber war.
Mindestens zum zehnten Mal heute dachte er an C. J. und daran, wie sie ausgesehen hatte, heute Morgen im Gericht. Gewappnet mit Aktenordnern und Gesetzestexten, warf sie sich in den nächsten zermürbenden Prozess und trug für den Rest der Welt eine zuversichtliche, gefasste Maske. Doch ihn überlistete sie damit nicht.
Dominick musste an seinen Vater denken und an den Tag, als er seiner Frau und seinem Sohn mit-teilte, er würde nicht mehr auf Streife gehen. Er hatte gelogen, als er ihnen lächelnd versicherte, alles sei in bester Ordnung. Am nächsten Tag hatte ihn Dominick nach der Schule in der Badewanne gefunden.
Heute hatte er den gleichen Klang der Hoff-nungslosigkeit in C. J.s Stimme gehört. Er hatte C.
J. versprochen, dass er ihr beistehen würde. Und er hasste sich dafür, dass er das Versprechen gebrochen hatte. Vielleicht war er zu hart gewesen, zu emotional, zu stur, als er Schluss gemacht hatte.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Manny. «Dommy Boy. Kommst du auf einen Drink in meine Richtung, oder muss ich mich heute Nacht ins Möbelhaus schleppen las-
sen?»
«Heute Nacht?»
«Bei Rooms to Go haben sie bis Mitternacht Ausverkauf. Ich bin ein Glückspilz. Ich kriege fünf Möbel zum Preis von einem, bevor es zwölf Uhr schlägt.»
«Tu’s nicht, Bär», sagte Dominick kopfschüttelnd.
«Das ist meine letzte Warnung.»
«Erst mal ziehen wir zusammen. Ich hab ihr gesagt, dass sie keinen Stein am Finger sieht, solange nicht jeden Abend um sechs das Essen auf dem Tisch steht.» Er lachte. «Als ob sie das hinkriegen würde. Das letzte Mal hat sie einen Tisch beim Chi-nesen bestellt. Und nicht mal der war gut.»
«Vorsicht. Es gibt immer noch den Pizza-Service.
Und die Mikrowelle.»
«Wieso suche ich mir nicht einfach eine heiße mami aus, die in Schürze und String-Tanga picadillo kocht?»
«Hör auf, sonst wird mir ganz anders.» Marisol Alfonso im neonpinken String am Herd schwitzend, das war kein Bild, auf das er heute Abend besonders erpicht war. Und auch sonst nicht. «Hör mal, ich mach mich gerade auf den Weg nach Miami Beach. Ich wollte ins Big Pink, was essen. Wo bist du?»
«Ich bin noch auf dem Revier. Und da ist noch was, worüber ich mit dir reden muss.»
«Lass mich raten: Du willst einen Job beim FDLE. Ich weiß nicht, wie viel Einfluss ich im Moment habe, mein Freund. Frag mich in ein paar Jahren nochmal, wenn sie in Tallahassee vergessen haben, dass ich mal am Pranger stand.»
«Auch wenn’s vielleicht ganz nett wär, mit dir rumzuhängen, Dommy, hier ist die Rente besser und Überstunden werden bezahlt. Anders als bei euch armen Regierungshunden. Ich bleibe schön bei der City, vielen Dank. Aber wo du gerade von deiner blöden Behörde sprichst, ich wollte es eigentlich fürs Abendessen aufheben, aber dann sag ich’s dir eben gleich. Ich mach gerade den
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