Morpheus #2
vor der Sicherheitsschleuse der Major Crimes Unit ziehen, als sie in-nehielt. «Was ist mit der Zunge? War das prae oder post mortem?»
«Neilson meint, die Zunge sei zuerst herausge-
schnitten worden. Chavez hat wahrscheinlich noch gekämpft und versucht, den Kopf wegzudrehen –das belegen Schnittwunden und Prellungen um den Mund und Risswunden an den Wangen. Danach wurden Drosselvene und Luftröhre durchgeschnitten, und zum Schluss kam das Grinsen.»
«Mein Gott.» Sie schwieg einen Moment. Dann fragte sie: «Hat die Spurensicherung im Wagen was gefunden?»
«Im Streifenwagen sind jede Menge Fingerabdrücke, mit freundlichen Grüßen von allen Leuten, die je auf dieser Rückbank aufs Revier gefahren worden sind. Das Gleiche gilt für Haare und Textilfasern. Der Wagen ist drei Jahre alt und hat vor allem Verbrecher befördert. Wir haben also eine Million Kerle, die wir verhören müssen, aber keiner davon ist konkret tatverdächtig. Wegen des Drogenscreenings muss ich mir Chavez’ Personalakte ansehen und wahrscheinlich seine ganze Abteilung auseinander nehmen.»
«Du? Ich dachte, offiziell führt das MBPD die Ermittlung durch?»
«Schon, aber aus irgendeinem Grund haben sie das Gefühl, dass es einen Interessenkonflikt geben könnte und dass das FDLE neutraler ist. Black ist ein Kumpel von Jordan vom Beach, und deshalb bin ich jetzt der Klempner, der alles richten soll.» Black war Regional Director des FDLE, Dominicks Boss.
Jordan war der Chief des Miami Beach Police Department. «Chavez wohnte mit seinem Bruder zusammen, einem Police Officer in Hialeah. Kann sein, dass er mich nicht freiwillig in die Wohnung lässt, deshalb brauche ich einen Durchsuchungsbe-
fehl.»
«In Ordnung. Ich hatte ohnehin Dienst, also wenn du mit schönen Worten nicht weiterkommst, sag mir Bescheid.» Während sie sprach, hörte sie hinter sich ein ungeduldiges Schnalzen. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Marisol, ihre Sekretärin, hinter ihr stand, in pinkfarbenem Lycra, die lila Fingernägel grimmig in die Hüften gestemmt.
Sie trat einen Schritt zur Seite, um sie vorbeizulassen. Es war tatsächlich Marisol, nur war es noch schlimmer, als C. J. vermutet hatte. Heute trug sie einen geblümten neongelben Minirock.
«Guten Morgen, Marisol.»
Marisol ignorierte C. J.s Gruß, warf die Haare zurück und rauschte mit einer Tüte Chips und einer Diät-Cola vorbei.
C. J. konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.
«Habt ihr eine Spur?»
«Ja. Zu viele. Und bis jetzt führt keine irgendwohin. Anscheinend hatten mehrere Leute Chavez auf dem Kieker, vor allem die Frauen, mit denen er sich getroffen hat. Oder besser, die er gevögelt und betrogen hat. Das sind schon etliche. Dann gibt es noch einen Haufen Kumpel, von denen er sich Geld geliehen hat, ohne es ihnen zurückzugeben, und Schulfreunde, die mit den Latin Kings verbrüdert sind. Wer immer der Täter war, er hatte ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, und davon gibt es echt eine Menge.»
C. J. spürte, wie sich ihre Anspannung ein wenig lockerte. Anscheinend hatte Victor Chavez’ noch ein paar mehr Geheimnisse. Und er trieb sich in ziemlich schlechter Gesellschaft herum. Vielleicht war es also gar nicht ihr Geheimnis, das ihn ins Grab gebracht hatte.
Dominicks Stimme nahm einen anderen Ton an.
«Und wie geht’s dir?», fragte er zärtlich. «Ich merke doch, wie es dich mitnimmt.»
Die Macht, die Dominick über sie hatte, war enorm. Seine bloße Gegenwart reichte, damit sie sich beschützt und sicher fühlte. Selbst am Telefon nahm seine Stimme ihr die Angst. Dominick war der Grund dafür, dass sie ihr seelisches Gleichgewicht wieder gefunden hatte – er war das Licht, das selbst in dem Irrsinn leuchtete, der sie einmal fast überwältigt hatte. Und so hatte sie ihm in der hohen Mauer, die sie als Bollwerk gegen den Rest der Welt errichtet hatte, eine Tür geöffnet – einen kleinen Spaltbreit – und ihn hereingelassen, bevor sie sie schnell wieder zugemacht hatte. Ihre Beziehung hatte als Freundschaft begonnen und war langsam zu Liebe gereift. C. J.s Gefühle gingen tief, tiefer, als sie je für möglich gehalten hatte. Manchmal, wenn sie es zuließ, raubte er ihr schlicht den Atem.
Sie hatten nie offiziell beschlossen zusammen-zuziehen, doch irgendwann in den letzten drei Jahren hatte er einfach aufgehört, in seine Wohnung zurückzukehren, und sie hatte ihm die Hälfte des begehbaren Kleiderschranks überlassen. Ihr Blick fiel auf den funkelnden
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