Morphin
Tür, die erste meiner Zeichnungen von Sala, am ersten Tag unserer Bekanntschaft gemacht, kurz bevor sie meine Geliebte wurde.
«Dunkel hier.»
«Damals war es hier auch dunkel.»
Stimmt. Wir hatten uns im Adria kennengelernt, am Tisch von Jarosław, sie lud mich auf der Stelle zu sich ein, ich solle sie zeichnen. Ich hielt das natürlich für einen reinen Vorwand, lief ihr gleich nach, schon wegen ihrer kupferroten Locken, aber als ich in ihrer Wohnung war und ohne Umschweife zur Sache kommen wollte, hielt sie mich lachend auf, warte, gleich. Dann setzte sie mich auf einen Stuhl, gab mir ein Brett mit einem mit Reißzwecken befestigten Karton, drückte mir einen Rötelstift in die Hand und machte es sich auf dem Sofa bequem. Sie zog sich nicht ganz aus, knöpfte lediglich die Bluse auf, streifte den BH nach unten, machte die Brüste frei und zog den kurzen Rock so weit hoch in die Hüften, dass ihr Damm zu sehen war, ein Höschen trug sie nicht, da war nur der Riemen von den Strumpfhosen. Als wäre sie leibhaftig den Blättern Egon Schieles entstiegen. Und ich sah gar nicht sie selbst an, nicht diese merkwürdige, rothaarige Jüdin oder Russin, ich weiß nicht genau, nicht sie sah ich an, diese Quasikünstlerin, Muse und Bacchantin, Mänade, von der Witkacy mir einmal gesagt hat, sie sei eine heilige Nutte und über ihren Körper laufe der Champagner wie über keinen, nicht sie saß vor mir, sondern die kondensierte Weiblichkeit. Nicht der Schatten der Idee von Weiblichkeit wie bei all den anderen Frauen, sondern die Weiblichkeit an sich, verdichtet zu körperlicher Gestalt.
Ich zeichnete sie damals mit rostroter Kreide, so vulgär breitbeinig, so schön, alle Grenzen der Vulgarität hinter sich lassend, das war nicht Schamlosigkeit, sondern Unscham, und in dieser Unscham war sie so schön, als kennte sie überhaupt keine Scham, als wäre allein sie nicht aus dem Paradies vertrieben worden, als wäre sie ihr eigener, gesonderter Frauenstamm, Evas Schwester, die im Paradies geblieben ist. Später ließ sie die Zeichnung rahmen und hängte sie über die Tür, geraffter Rock, die dunkle Stelle darunter, Urheimat der Männer, die Hände auf den weißen Schenkeln, nah am Schritt, als würde sie sich selbst die trägen Beine auseinanderdrücken, die schweren Brüste ungeschickt aus dem Halter geschält wie aus einer aufgeplatzten Schote, alles weich, das Gesicht fast unsichtbar, den Kopf wie in Ekstase zurückgeworfen.
Es ist keine gute Zeichnung, weder kompositorisch noch im Detail, kein guter Strich – aber sie erzählt die Wahrheit über Sala. Und die Wahrheit über Sala ist die Wahrheit über die Frauen überhaupt.
Hela ist auch irgendwie in dieser Zeichnung. Sogar meine Liebe zu Hela, zu ihrem Leib, gesund wie eine griechische Skulptur. Alle meine Geliebten sind auf dieser Zeichnung, alle, auch wenn es gar nicht so viele waren, wie die Gerüchte der Vorkriegszeit sagen, vor denen ich meine Frau schützen musste und vermutlich nicht schützen konnte. Auf Sala wirkten zutreffende wie falsche Gerüchte über meine Abenteuer als Aphrodisiakum, Sala hält nichts von männlicher Treue, wenn sie auch weibliche Treue, die sie natürlich selbst nicht praktiziert, zu schätzen weiß. Männer, die nur eine Frau hatten, sind für sie Nichtmänner, Invaliden der Männlichkeit, reizen sie nicht, und nie versucht sie, sie zu verführen, die Avancen solcher Männer weist sie mit herablassender Nachsicht ab, wie ein Geigenlehrer, dessen Schüler schon in der zweiten Stunde nach der Stradivari greifen will. Dafür verkuppelte sie sie oft mit ihren Freundinnen, von denen sie viele hat und die sie verachtet.
Anders Hela, die ihre Vorstellung von der Liebe aus Lyzeumslektüren hat. Für sie ist ein Liebhaber der Frauen ein Tier, sie akzeptiert noch nicht einmal die Zweitehen von Witwern, zur Weißglut treiben sie allein schon Gerüchte, dass dieser oder jener Familienvater ins Bordell gegangen sei – mit Geld, das seiner Frau und den Kindern zusteht.
Hätte sie von meinen Geliebten erfahren, was dann? Ich wäre ein Vieh für sie, aber ich weiß, dass erst dann die wahre Leidenschaft für mich in ihr entflammt wäre, um die Wunde nach der gestorbenen Liebe auszufüllen. Ich glaube, alle Frauen sind gleich, Salas Abneigung gegen die Treue und Helas Hass auf die Untreue sind ein und dieselbe Emotion, dasselbe Prinzip, die Essenz der großen Allfrau. Die Männer sind im Übrigen auch alle gleich. Ich tat also alles, damit Hela
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