Morphin
ich unangemessen gehandelt habe.»
Beginnt das Eis im Gesicht der Łubieńska zu schmelzen? Ich bin nicht sicher.
Witkowski mustert mich mit geringschätzigem Lächeln, da ist etwas im Schwange, wird etwas abgewogen. Die warmen, bösen, wachsamen Augen, das runde Gesicht, die Krawatte zwischen den Lederrevers der Jacke.
Er schweigt. Werden sie mich auf der Stelle erschießen?
So stelle ich mir das vor: Der Fahrer zieht das stählerne Urteil aus der Tasche, drei Schüsse, allen dröhnt für einen Augenblick das Trommelfell, die Fensterscheiben vibrieren, und mein Körper auf dem Fußboden, durchlöchert, mein Leben abgeschlossen, geboren in Gleiwitz am zwölften November 1909 , tragisch verstorben am neunzehnten Oktober 1939 in Warschau.
Aber heute sind Wahrheit und Überzeugung mein. Fürs Erste gewinne ich. Das Recht ist auf meiner Seite. Mein Körper wird nicht auf das knarrende Parkett sinken. Nicht heute.
«Wir werden das überprüfen», sagt er.
«Natürlich», sage ich, ohne Angst. Sollen sie es prüfen.
«Also gut. Ich erkläre das für ein gerechtfertigtes Vorgehen.» Mit diesen Worten wird sein Gesicht weich.
Und ich stehe hinter dir, Kostek, umarme dich an den Schultern und denke daran, wie Witkowski fallen wird, durchlöchert, und wie Menschen in deutschen Uniformen ihm einen Zettel mit der Aufschrift «Der größte polnische Bandit» anheften, an dieselbe Lederjacke, in der er jetzt vor dir steht.
«Wenn das so ist, musst du diesen Rostański herbringen. Sobald er auf die Beine kommt», sagt der Ingenieur.
Und dann spricht er, spricht viel, über die Richtung der künftigen Infiltration, über die gerade gegründeten Unternehmen, in die er das von mir besorgte Geld investieren will, redet, gestikulierend, spricht von der Aufklärung in Deutschland, die ich führen werde, und befiehlt mir, eine eines Deutschen würdige Arbeit anzunehmen.
Ist es mit den Grundsätzen der Konspiration vereinbar, dass die Łubieńska und der Fahrer meine deutsche Identität kennen, frage ich mich, schließlich kenne ich mich im Untergrund nicht aus.
Am Ende gehe ich. Zurück nach Hause, die Schokoladentreppe, die Schuhe versinken in Schokolade, ich öffne die Tür. Der Flur, das Wohnzimmer leer.
Ich gehe ins Schlafzimmer. Iga in unserem Ehebett. Die nackten Schultern nicht ganz zugedeckt, sie schläft, wie versunken. Ich ziehe ihr die Decke hoch bis zum Hals, in der Wohnung ist es kalt, wieder wird nicht geheizt. Sie murmelt unartikuliert.
Ich würde gern unter dieses Federbett schlüpfen. Die Wärme ihres Leibes spüren. Doch nein, ich bin nicht mehr dieser Kostek, ich bin jemand anders, bin Offizier, Ehemann meiner Frau, ich werde das nicht tun. Also setze ich mich auf den Stuhl und schaue zu, wie Iga schläft, nackt in meinem und Helas Bett, auf meiner Seite. Ich werde so sitzen und sie ansehen, denke ich mir, bis sie erwacht.
Man sitzt nur so dumm, wenn das Glied steht, bei einer nackten Frau unter meiner eigenen Decke, dumm sitzt man da.
Legst du dich nicht zu ihr, Kostek, weil du so stark und selbstbeherrscht bist? Oder sagt dir vielleicht ein kleiner Teil deines beschränkten Verstandes, dass körperliche Liebe das Letzte ist, worauf Iga jetzt Lust hätte? Und eine Zurückweisung würdest du nicht ertragen, nicht wahr?
Also gehe ich ins Wohnzimmer, durch den leeren Flur. Stromere durch die leere Wohnung. Auf der Suche nach was? Nach Hela? Jureczek? Iga. Zärtlichkeit. Nach mir selbst.
Lange stehe ich im Bad, Hela hat es blitzblank geputzt hinterlassen, ich schaue in den Spiegel, mein Gesicht, der Kiefer, Dreitagebart, zum Rasieren war ja keine Gelegenheit, also bade ich schnell, reibe mich mit Öl ein, schlage Schaum und kratz die Stoppeln runter.
Ich ziehe ein frisches Hemd an, suche einen grauen Flanellanzug aus. Iga schläft weiter. Ich beschließe, Hela anzurufen. Der Apparat bei ihren Eltern funktioniert, mein nationaldemokratischer Schwiegervater hebt ab.
«Guten Tag. Hier ist Konstanty. Könnte ich Hela sprechen?»
«Du Aas», zischt er. «Kanaille. Dreckskerl. Versuch nur noch mal …»
Ich lege auf. Rufe meine Mutter an, aber ihr Telefon funktioniert nicht. Ich nehme ein Buch aus dem Regal, bin aber nicht imstande zu lesen, werfe es auf das Tischchen. Etwas essen würde ich gern. Die Speisekammer ist leer. Man muss etwas holen, aber ich will sie hier nicht allein lassen.
Ich treibe mich in der Wohnung herum, schaue dann wieder bei Iga vorbei. Sie ist halbwach, erhebt sich, wie geweckt
Weitere Kostenlose Bücher