Morphin
geschehen.
Peszkowski steht auf, über Tee und Tischdecke reicht man sich die Hände, der nationaldemokratische Prügelstudent und das Sanacja-Schwein, Pole und Pole, und gehen auseinander, Peszkowski zurück in die Altstadt zu dem neuen Haus, in die Wohnung im modernistischen Mietshaus, einfach und bescheiden, und der General kümmert sich um seine Angelegenheiten, verneigt sich vor der Sonne, die nicht zu sehen ist, geht an die Arbeit, und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Noch haben sie keinen Niederschlag auf dem Papier gefunden, in der Maschinerie, die auf den Schultern meiner Schwester ruhen wird, gibt es noch keine eigenen Stempel oder Unterschriften, aber bald wird all das da sein. Und dann wird dein Name mit dem Vorsatz «Kanaille» aufs Papier gedruckt, und die Papiere werden ihre Wanderung beginnen, dann kommt das große Theater, der Prozess, dann das Urteil und die Pistole, die ein älterer Offizier einem jüngeren sofort nach dessen Vereidigung in die Hand drückt, und das wird erst der Anfang sein, meine Schwester hat ihre Gefräßigkeit noch unter Kontrolle, noch verschluckt sie keine kleinen Kinder. Dieser junge Offizier, ein Arzt, wird sich die Pistole hinter den Hosengürtel schieben, der kalte Lauf neben seinem Schwanz, und sich mit dir verabreden, und als alles vollbracht ist, wird er so ein starkes Bedürfnis nach Frau haben, dass er zu einer Professionellen geht, was er nie zuvor getan hat, er wird die Pistole auf den Nachttisch legen und in einer von Körperflüssigkeiten durchfeuchteten Wohnung mit einer teilnahmslosen Nutte kopulieren, das Kopfgitter des Eisenbettes wird gegen den bröckligen Putz hämmern, wird ihn rieseln lassen, und gelbliche Partikel werden auf die abgetretenen Bodenbretter fallen, jedes wie ein ganzes Menschenschicksal in unseren, meinen Händen.
Kannst du das aufhalten, kannst du irgendwas tun? Gewiss, ja, die Konterpapiere mit den Konterstempeln könnten sich irgendwo zu stapeln beginnen, der Ingenieur könnte sich einschalten, könnte beharrlich Mahnungen, Kuriere nach Paris schicken, er kann sich auf höchste Instanzen stützen, Sikorski würde den Papieren und Stempeln und Konterstempeln geringeres oder größeres Gewicht verleihen. Aber damit du tätig werden könntest, müsstest du erst einmal des schwarzen Schattens meiner Schwester gewärtig sein, der sich über dich schiebt, du weißt nichts und wirst nichts erfahren, wie du da zum Erlöserplatz gehst im schwarzen Morgengrauen des schwarzen Tages eines schwarzen Jahres in einem schwarzen Land, und wie du die Treppe hochsteigst und die Łubieńska dir öffnet, die dereinst ein junger Mann mit einem Stilett in der Hand umfangen wird.
Sie führt dich in den Salon, dort sitzt der Ingenieur im Sessel.
«Siebenundfünfzig!», freut er sich bei deinem Anblick.
Ihr setzt euch.
«Fangt nicht ohne mich an», ruft Dzidzia Rochacewicz aus der Küche.
Ihre Stimme verändert die Situation plötzlich völlig. Warum ist Dzidzia Rochacewicz hier, was führt sie her, warum sie?
Beim Ingenieur. Bei der Łubieńska.
Du freust dich, dass sie hier ist.
Was ist an ihr, dass du dich so freust, Kostek? Wie oft hast du sie gesehen? Wie viel hat sie dir gesagt? So gut wie nichts. Was wirst du von ihr haben?
Sie trägt ein Tablett herein, darauf ein Krug und Gläser. Du fährst vom Stuhl hoch, armseliger Charmeur. Dzidzia ist der Spott in Person, fraulich verkörperter Hohn.
«Ich habe Tee gemacht», verlautbart sie salbungsvoll das Unübersehbare.
Sie stellt das Tablett auf dem Tisch ab. Setzt sich in einem Sessel neben dem Ingenieur. Sie ist nicht allzu hübsch, doch von großer, eigener Schönheit. Langnasig. Mager. Hände wie Schwalbenflügel. Die Łubieńska sitzt auf dem Sofa daneben.
«Siebenundfünfzig, Dzidzia wird bei Ihnen übernachten. Sie hat etwas in Warschau zu erledigen», strahlt der Ingenieur.
Dzidzia wird bei mir übernachten. Ich sehe sie an. Sie lächelt spöttisch. «Mit solchen wie dir gehe ich nicht ins Bett», sagt ihr Lächeln.
«Jawohl», erwidere ich.
«Hast du diesen Doktor angeworben? Rostański?», fragt die Łubieńska.
Vorwurfsvoll.
Ich antworte nicht, werfe dem Ingenieur einen fragenden Blick zu. Und Dzidzia sieht mich anerkennend an. Weil ich Kante gezeigt hatte. Bin forsch genug, einer alten Aristokratin die Stirn zu bieten.
Der Ingenieur bemerkt weder Łubieńskas Frage noch meinen fragenden Blick.
«Ich habe von der Affäre bei Peszkowski gehört», sagt er ruhig.
Meine Nackenhaare
Weitere Kostenlose Bücher