Morphin
Erde und grab unterirdische Gänge wie ein Wurm, flieh nach Süden, bis du dich in die tiefste Grube Schlesiens vorgegraben hast, aus der Grube bist du geboren, aus Kohle und Stahl, zur Grube kehre zurück.
Ich gehe, schwankend, atemlos, ich gehe, Tag, Warschau, Straße, Zigarette, Kühle.
Geh nicht! Flieh, mein Geliebter, flieh, rette dich, grab dich unter die Erde und friss dich bis in die tiefsten Teufen des allertiefsten Bergwerks, dort bleib für alle Ewigkeit, errichte dort deine Einsiedelei, wirst dich schon nähren von dem, was die Bergleute dir für deine närrischen Weisheiten bringen, und wenn sie nichts bringen, dann wirst du Jagd auf sie machen, Konstanty, flieh, mein Einziger, mein Lieber, geh fort von hier so bald wie möglich!
Ich gehe und weiß nicht, wohin. Zum Auto.
Setze mich geistesabwesend hinein. Stecke den Schlüssel, drehe ihn geistesabwesend. Warte, wenn jemand einsteigt! Ich verriegle die Tür von innen. Niemand kommt rein. Der Schlüssel, ich habe ihn schon umgedreht. Vorglühen – nein, nicht nötig, der Motor ist doch warm, die Temperaturanzeige hoch. Also die Zündung. Verdammt, wie geht das hier? Aha. Anders als im Opel. Und wo ist der Anlasser? Augenblick, ich weiß schon, wie bei Jacek, Jacek hatte auch einen Master, nur einen Sedan, da ist sie mit der Drosselklappe zusammen, ja. In diesen neueren gibt es nur ein einziges Pedal. Jaceks Master Sedan war bei Skwarczyński gekauft. Dieser, woher kann der sein? Ich drücke. Jetzt die Zündung. Der Motor läuft, Pedal kommen lassen, jetzt, wenn ich das andere auch drücke, dann geht er, wenn die Drosselklappe normal funktioniert, nicht der Anlasser. Oder nicht? Ich drücke, die Umdrehungszahl steigt. Ja. Kupplung. Gang. Ich fahre. Zweiter Gang. Der Motor läuft. Kräftig. Dritter Gang, und ich fahre, die Puławska windet sich wie nie, früher war sie doch gerade und schoss schnurstracks hoch bis zur Skolimowska, und jetzt windet sie sich so.
Wann bin ich das letzte Mal Auto gefahren? Im August, bevor die Schweinehunde vom Militär mir den Olympia weggenommen haben, meinen haben sie drei Tage vor der Mobilmachung requiriert, andere noch nicht, meinen Olympia schon, und Hela sagte: Erst wird bei den Juden und Fremden requiriert, das war bestimmt irgendein Bürohengst, dem ist der Name aufgefallen, da hat er dich in die erste Reihe gesetzt, und du warst dran. Der Olympia ist futsch. Dafür jetzt ein Chevrolet. Vor zwei Monaten bin ich das letzte Mal Auto gefahren, vor tausend Jahren, dann bin ich gestorben und neu geboren worden.
Ich fahre das erste Mal Auto. Fahre. Ich weiß nicht, wohin.
Zu meiner Mutter.
In den Klub.
In die Hölle.
Etwas reißt mich aus dem Auto und aus der Kleidung heraus, die Kleidung geformt nach meiner Gestalt, irgendetwas stimmt nicht mit Warschau, etwas Böses, ich fühle die kalte Luft auf dem Bauch, auf dem Schwanz, den Füßen, guter Gott, guter schwarzer Gott, hol mich hier raus ins zweite, schläfrige Reich des Todes, wo weder Licht noch Schatten sind.
Ich treibe dahin. Vor dem Auto, das fährt und in dem ich sitze, ohne dass ich darin wäre, vor dem Auto auf der Straße taucht eine Gestalt auf.
«Brems, Kostek, brems, sonst überfährst du einen Menschen», schreie ich mich an, clamavi at te, hör meine Stimme, wenn ich aus der Höhe zu dir rufe, Willemann, ich, die Wächterin des Morgengrauens.
Konstanty bremst.
Er bremst zu spät, die Gestalt im Mantel ist vor das Auto gelaufen. Der Chevrolet tanzt auf blockierten Rädern, runter vom Pedal und ausweichen, denke ich und kann nicht bremsen, der Chevrolet tanzt weiter, und am Ende ist er da, ich sehe ihn von nahem, straffgegurteter Offiziersmantel, etwas Glänzendes auf dem Kopf, ich fahre ihn an.
Nicht sehr stark. Wird nicht gleich tot sein.
Ich springe aus dem Auto, da liegt er, berappelt sich, ich helfe dem Mann aufstehen.
Ich erkenne ihn.
«Ich heiße Bartłomej Chochoł und bin der letzte König von Polen», sagt Rittmeister Chochoł.
Erkenne ich ihn? Ich kannte einen Rittmeister Chochoł, aber mit welchem Vornamen, ist dieser Mensch, der Nachfolger von Rittmeister Chochoł, also derjenige, der Rittmeister Chochoł jetzt ist, am Sonnabend, dem einundzwanzigsten Oktober neunzehnhundertneununddreißig um, Vaters Uhr, dreizehn Uhr siebenundzwanzig, ist dieser Mensch der Rittmeister Chochoł, oder hat es den Rittmeister Chochoł nur vor einem Jahr gegeben und jetzt nicht mehr?
Ich traue meinen Augen nicht, würde ich gern sagen können,
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