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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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der Aufklärung der Republik. Sie müssen die Initiative ergreifen, müssen eigenständig handeln. Sie fahren nach Budapest, tun dort, was in Ihrer Macht steht, dann kommen Sie zurück, spätestens bis Ende des Monats. Haben wir uns verstanden?»
    «Geld?»
    «Ach, stimmt!» Der Ingenieur schlägt sich an die Stirn und greift in die Innentasche seines Jacketts. «Tausend Dollar. Das muss reichen.»
    «Und Papiere für mich?», fragt Dzidzia.
    «Unsere Legalisierungszelle ist noch nicht voll einsatzfähig. Ihr müsst mit dem auskommen, was ihr habt.»
    Dummheit, Dummheit und Schwäche, siehst du das nicht, Kostek? Du legst dein Leben in die Waagschale. Warum? Warum willst du nicht auf mich hören?
    Sie haben dich mir gestohlen.
    Ich ziehe den Mantel an, die Handschuhe. Nehme die Schlüssel. Dzidzia hat einen Nerz, ein kleines Hütchen und sogar einen Muff. Das sieht nicht nach Krieg aus, nein. Wo ist der Krieg, welcher Krieg?
    Wir gehen.
    Wo mein Olympia war, steht der Chevrolet vor dem Haus. Mit polnischem Kennzeichen, Vorkriegsschildern.
    «Das sind polnische Kennzeichen», sage ich.
    «Wir sagen, du hast ihn beschlagnahmt», antwortet Dzidzia.
    Ich öffne den Kofferraum, nehme die Maschinenpistole und den Patronengurt heraus. Dzidzia schaut erschrocken und anerkennend.
    «Kannst du schießen?», frage ich und denke daran, wie sie mich vor dem Lours erniedrigt hat.
    «Mit so was nicht, und will ich auch nicht», erwidert sie hochmütig wie eine Baronin, die Plätze in der dritten Klasse ablehnt.
    Ich lächele sie an, sie erwidert das Lächeln. Sie macht etwas mit mir, etwas in mir verändert sich, etwas anderes verstummt; etwas, was ich vorher gar nicht gehört habe, das aber trotzdem da war, verstummt jetzt.
    Mich hast du nicht gehört.
    Wir steigen ins Auto, ich starte den Motor, schiebe das Magazin in den MP i-Schacht, lade aber nicht nach, aus Angst, er könnte durch irgendeine Erschütterung beim Fahren losballern. Ich sitze eine Augenblick schweigend da, die Hände am Lenkrad.
    «Sollten wir uns nicht einen Plan zurechtlegen? Eine Strecke, eine Geschichte, was wir sagen, wenn man unsere Papiere kontrolliert …?»
    «Solltest du, allerdings. Du bist hier der Offizier der Aufklärung, stimmt’s?»
    Wieder schweige ich einen Moment, klammere mich ans Lenkrad. Als schwebte ich über einem Abgrund.
    «Bin ich nicht», stoße ich endlich hervor. «Ich bin kein Offizier der Aufklärung. Bin nicht einmal Reserveoffizier der Ulanen. Das heißt, dem Papier nach schon, ich habe den Kurs absolviert, habe einen Zug befehligt, gegen die Deutschen gekämpft, aber ich bin kein Offizier, kein Soldat.»
    Warum sage ich das, will ich ihren Spott provozieren? Warum? Ich weiß nicht. Dzidzia aber spottet nicht.
    «Wer bist du dann?», fragt sie nur. Ganz ernsthaft.
    Wer bin ich? Ich möchte sagen: Ich bin Kostek Willemann, Gentleman, Verschwender, Hurenbock und Morphinsüchtiger. Geld hat mir nie gefehlt. Ich treibe mich gern mit Künstlern und Schriftstellern herum. Trieb mich. Ich mag die Frauen. Habe ein bisschen Polonistik studiert, um zu vergessen, dass ich deutscher Abstammung bin, aber die Polonistik hat mich nicht interessiert, ich habe das Studium nie abgeschlossen. Ich zeichne ein bisschen, habe sogar ein Fernstudium bei den besten Professoren der Kunstakademie absolviert, meine Mutter hat’s bezahlt, aber auch die Kunst interessiert mich nicht so wirklich. Ich wollte etwas mit Fotografie machen, nackte Frauen in aufreizenden Posen fotografieren, aber der Krieg kam, bevor ich mir einen Apparat zulegen konnte. Ich wollte das Drehbuch für einen Film schreiben oder Regie führen, und die Ordonówna sollte darin spielen. Ich redete mit Jarosław darüber, er ermunterte mich sehr, besonders beim Wodka, in nüchternem Zustand schon weit weniger nachdrücklich. Und Salomé hätte ich eine Nebenrolle gegeben. Als weissagende Zigeunerin. Ich hab’s dann nicht geschrieben, und der Krieg kam. Ich schätze Morphin, eisgekühlten Wodka und Sekt, verschmähe auch Kokain nicht, gehe gern gut essen, tanze im Adria oder im Paradis mit Frauen, die ich abends kennenlerne und morgens verabschiede. Früher. Ich gehe mit ihnen ins Bett, aber eigentlich genieße ich, dass sie sich mir hingeben, wichtiger als ihr Körper ist mir, dass sie mich anhimmeln. Die Körper langweilen mich. Helas Körper langweilt mich nicht. Langweilt mich immer noch nicht. Ich begehre Hela. Ich liebe sie nicht. Ich liebe sie. Liebte. Nein. Ich weiß nicht. Ich

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