Morphin
bin Konstanty Willemann und bin ein guter Sohn meiner Mutter. Bin ich nicht. Ich bin Konstanty Willemann und habe die Liebe meines Vaters angenommen, obwohl ich weiß, wohin das führen wird. Zu einem zerschossenen Kopf. Ich bin Konstanty Willemann und hasse meine Mutter.
Ich bin Konstanty Willemann, und meine Mutter ist kein Mensch. Ich bin Konstanty Willemann, und ich bin der Sohn einer Teufelin. Ich bin der Sohn des Teufels, mein Vater hat einen Teufel gezeugt, aus Teufelsschoß bin ich geboren, und mein Vater hat sein Glied verloren, damit er keinen anderen mehr zeugen kann.
Ich bin Konstanty Willemann und habe weder Bruder noch Schwester, ich habe niemanden. Ich bin allein. Ich habe keine Frau. Ich habe keinen Sohn. Ich habe weder Mutter noch Vater, nur Teufel und Leichnam. Ich bin Konstanty Willemann und bin der Sohn einer Teufelin und eines Leichnams. Ich bin Konstanty Willemann, und mir ist scheißegal, ob ich Deutscher oder Pole bin, denn es gibt Wichtigeres auf der Welt.
Ich bin Konstanty Willemann und ich bin Warschauer. Niemals zuvor habe ich das gedacht, jetzt denke ich daran, vor dem Schokoladenhaus stehend, die Madalińskiegostraße hinunterschauend, in Richtung Rakowca, durch die zweigeteilte Frontscheibe eines Chevrolet Master, der mir nicht gehört. Meine Hände umklammern das Lenkrad. Neben meinen Knien in perforierter Hülle der Lauf des Maschinchens, sieben Öffnungen wie ein überdimensionaler Pfefferstreuer, dahinter das Knie von Dzidzia Rochacewicz in fleischfarbener Seidenstrumpfhose. Ich bin Warschauer.
Ich bin Konstanty Willemann. Ich bin Konstanty Willemann, Verschwender, Hurenbock und Morphinist. Ich sehe verschiedene Dinge. Höre verschiedene Dinge.
Mich hörst du nicht. Deine Mutter hörst du nicht. Hast dir die Ohren vor uns verstopft.
«Wer bist du dann?», fragt Dzidzia.
«Ich heiße Baldur von Strachwitz».
«Aber jetzt in Wirklichkeit», sagt sie wie ein kleines Mädchen.
In Wirklichkeit bin ich nicht Konstanty Willemann. Nicht Baldur von Strachwitz. Ich bin nicht. In Wirklichkeit bin ich nicht, packe das Lenkrad fest mit den Händen, die Haut über den Knöcheln strafft sich, gleich reißt sie reißt nicht. Ich bin der Sohn des Teufels und einer Leiche. In Wirklichkeit bin ich nicht der Sohn des Teufels und einer Leiche, ich bin der Sohn von Baldur und Katarzyna, aber sie ist kein Mensch. Wer ist sie? Eine Frau, ein Mensch. Nein.
«Es gibt kein in Wirklichkeit. In Wirklichkeit gibt es niemanden.»
«Przyszybewski-Quatsch, Philosophensülze.» Dzidzia lächelt.
Aber nicht geringschätzig. Sie stichelt, doch nicht geringschätzig. Vielleicht war sie vorher auch gar nicht so geringschätzig?
«Fahren wir, Konstanty. Raus aus Warschau, draußen machen wir halt und legen uns einen Plan zurecht.»
Ich lege den Gang ein.
Wohin? Nach Süden. Erst mal nach Piaseczno, später müssen wir irgendwo über die Weichsel setzen. Die Strecke nach Radom nehme ich nicht, obwohl die Straße dort am besten ist, asphaltiert, doch man fordert das Schicksal lieber nicht heraus, besser über die Seitenstraßen. Also die Weichsel entlang nach Piaseczno, dann die miserable, löchrige Straße nach Czersk, da muss man langsam fahren. Weiter Potycz, einmal bin ich dort entlanggekommen, obwohl man in der Regel die Straße nach Radom nahm, hinter Warka ist die Straße wieder in Ordnung, dann weiter nach Kozienice, um irgendwo in Dęblin überzusetzen. Oder auch nicht. Man müsste die Landkarte studieren. Denn man könnte auch bis nach Sandomierz fahren und erst dort die Weichsel überqueren. Obwohl viele Brücken wahrscheinlich zerstört sind, ich weiß das ja gar nicht genau, woher soll ich es wissen. Irgendwelche Übergänge wird es schon geben.
Jetzt also die Puławska. Mokotów, nicht weit entfernt Sielce. Dort habe ich gekämpft. Ich, gekämpft? Willemann hat gekämpft. Vor einem Monat. Habe geschossen, kommandiert, Deckung gesucht. Er hat Deckung gesucht, kommandiert, aber ob er geschossen hat, weiß ich nicht, eher zur Abschreckung. Ja. Trambahnwendestelle Służew, die Eins, die Zwölf und die Sechzehn fuhren hier. Ich mochte Warschau, jetzt mag ich es nicht mehr. Gegenangriff, zwei unserer deutschen MG s an den Flanken, in die Trümmer geduckt, vorwärts! Vorwärts! Ich schreie in den eigenen Ellbogen, an die Erde gepresst, den Mund voll Dreck, und keiner hört mich, nicht einmal ich selbst höre mich, und keiner rührt sich, es geht weder vorwärts noch zurück, keine Hoffnung. Wir
Weitere Kostenlose Bücher