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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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Panzer, aber aus tschechischer Produktion.»
    «Habe ich laut gedacht?», frage ich erschrocken.
    Dzidzia lacht bloß. Schnauzbärtige Bauern mit hohen Stiefeln und Mützen stehen da, ein paar schrauben die verbrannten Kettenglieder ab. Und ein Junge ohne Schnurrbart und ohne Schuhe treibt sich in der Nähe herum. Der Panzer bestimmt von einer Bofors-Kanone in Brand gesetzt. Wie der Ksyk aus einer Bofors schießen konnte.
    Es regnet. Der Tank ist noch fast voll, und dieser Chevrolet gefällt mir. Sechs Zylinder, dreieinhalb Liter, meine Olympia hatte eins komma fünf, wie viel PS der hier hat, weiß ich nicht, aber die Fußsohle spürt, dass es viele sind, und man fährt. Wie würdevoll brüllen diese dreieinhalb Liter, sechs Zylinder. Gute Straße. Wir fahren.
    Ich bin Konstanty Willemann und mag Autos. Autos lieber als Pferde. Ich mag keine Pferde. Aber Pferde doch noch lieber als Menschen. Ich mag Autos, mehr als Pferde und viel mehr als Menschen. Aber Frauen mag ich auch. Einmal habe ich einen offenen Bugatti Typ siebenundfünfzig gefahren, im Februar vierunddreißig in Berlin, hundertsechzig Pferdestärken, und ich raste mit einhundertvierzig über die Autobahn, das Radio spielte, denn dieser Bugatti hatte sogar ein Radio, hören konnte man sowieso nichts, ich saß mit dem Hintern fast auf der Fahrbahn, neben mir Georg Ritter von Nalecz, der lachte wie verrückt, der Bugatti gehörte weder mir noch ihm, das schönste Auto, das ich je im Leben gesehen habe. Leider ganz ungeeignet für unsere polnischen Straßen beziehungsweise den Straßenmangel, wo sollte man in Polen so was fahren? Außerdem könnte ich mir so einen Bugatti nie leisten. Überhaupt keinen Bugatti. Meine Mutter? Vielleicht ja, vielleicht nicht. Ich weiß nicht, wie viel Geld meine Mutter hat. Für einen Bugatti würde sie mir jedenfalls nichts geben, meine Mutter legt den Lebensstandard sehr präzise fest – meinen Standard, für den sie aufzukommen bereit war. Also keinen Bugatti, auf keinen Fall. Auch keinen Alfa Romeo, keinen Hispano-Suiza, keine Luxusmarken, ich weiß nicht, ob ein Cadillac noch in Frage käme, nein, ein Cadillac eher auch nicht. Ich wollte sowieso ein neues Auto kaufen, statt des Olympia, endlich etwas Seriöseres. Erst sollte es ein Kapitän sein, aber später wollte ich einen Buick Modell  41 -C, amerikanisch, die Karosserie bei uns gebaut, viertüriger Phaeton mit komplett einziehbarem Dach, nicht so wie beim Olympia, die Karosserie natürlich Torpedo, fünfsitzig, bequem, Radabstand hundertzwanzig Zoll, ein Wunder auf Rädern, blau, ich hatte ihn im Katalog bei Skwarczewski in der Kredytowa gesehen und mir die Modelle siebenunddreißig und achtunddreißig in natura vorführen lassen, hundertsieben PS und sogar Fahrtrichtungsanzeiger mit einem orangenen, blinkenden Lämpchen, als Standardzubehör. Sehr nützlich. Mutter versprach, mir das Geld zu geben, im September sollte ich die Anzahlung leisten und in drei Wochen das Auto abholen, ein Transportschiff aus Gdynia war unterwegs, von Boston, versprach jedenfalls Direktor Pappadakis mit seinem skurrilen Akzent, mein Herr, bis Mitte November wird das Autochen in Ihrer Garage stehen, jetzt dümpelt es gerade über den Atlantik! Er redete wie ein Jude, obwohl er Grieche war.
    Ein ernstzunehmendes Auto wollte ich haben. Schließlich war ich ein ernstzunehmender Mensch. Aber nicht irgendein normales, sondern einen Phaeton, elegant, und ein Graf könnte mit einem Buick mit Schiebedach fahren, ohne sich zu schämen. Bei sommerlichen Hochzeiten, im englischen Stil, hätte man elegant damit vorfahren können, ich selbst am Steuer, beim Phaeton geht das, das ist fast wie ein Coupé, hinten Jureczek im blauen Spencer, daneben Hela im hellen Kleid, hellblau, ich in Jackett und gestreifter Hose, grauer Zylinder, gelbe Handschuhe, werfe dem Boy die Schlüssel zu, damit er das Auto wegfährt, und wir gehen, heben die Sektgläser, so hätte es sein sollen. Und ist es nicht.
    So versprach es Pappadakis, Direktor der Autohandelsgesellschaft der Hauptstadt in der Kredytowa  2 . Der wie ein Jude redete und doch ein Grieche war. Und wie ein Jude aussah.
    Wie komme ich jetzt auf Pappadakis? Ich bin Konstanty Willemann und mag Autos, mag Autos mehr als Pferde.
    Ich bin Baldur von Strachwitz, ich mag Frauen, will für etwas kämpfen und töten, ich habe Angst vor Frauen, der Welt, vor den Menschen, ich habe Angst vor allem.
    Wir erreichen Kozienice, ich mit dem deutschen Adler auf der Brust.

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