Morphin
und erhebt sich nie wieder, und das weißt du, Kostek, das weißt du doch.
Der Priester vollendet sein Werk über dem Kelch. Der Wein verwandelt sich in Blut, oder er bleibt Wein, und in was verwandelt sich das Blut in deinen Adern, Konstanty, könntest du den Pfaffen nicht bitten, dass er nicht nur den Wein in Blut verwandelt, sondern auch dein Blut in ein anderes Blut?
Baldur von Strachwitz kniet vor niemandem, ich aber knie nieder.
«Unde et memores, Domine, nos servi tui, sed et plebs tua sancta, eiusdem Christi Filii tui, Domini nostri, tam beatae passionis, nec non et ab inferis resurrectionis, sed et in coelos gloriosae ascensionis», flüstert der Priester, und ihr hört kein Wort davon.
Du setzt dich neben die kniende Dzidzia, sie wirft dir einen Blick zu – und du kniest nieder.
«Offerimus praeclarae majestati tuae de tuis donis ac datis, hostiam puram, hostiam sanctam, hostiam immaculatam», flüstert fast stimmlos der Priester, schlägt das Zeichen des Kreuzes über der Hostie und dem Kelch, und mir kommt das alles bekannt vor, aber nicht vertraut wie anderen, die das aus ihrer Kindheit kennen, die es auswendig mitbeten können, ich kannte das nicht, bevor ich die Messen in Grudziądz und später in Trembowla besuchte, und danach bin ich ja auch so gut wie gar nicht wieder hingegangen.
«Panem sanctum vitae aeternae et Calicem salutis perpetuae», flüstert der Priester und flüstert immer fort, die Arme ausbreitend, die weißen Ärmel der Alba hängen an den hageren Armen wie weiße Fahnen, er spricht weiter, doch ich höre nicht mehr zu.
Ich sitze neben Dzidzia, und der Priester ist endlich bei seinem «Ite, missa est» angelangt, jenen Worten, die immer einen angenehmen Erregungschauder in mir hervorriefen, endete damit doch eine unerträgliche Stunde von Langeweile und Zauberei, vom missa est an wurde es wieder hell, noch das letzte Evangelium, in principio erat Verbum, et Verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum, dann noch das Ave Maria gratia plena, das Salve Regina. Und wir könnten genauso gut schon rausgehen, diese Messe ist ja privat, unsere eigene, bestellt und erzwungen, ich war gerade schon draußen gewesen, ich muss hier nicht ausharren, kann tun, was mir beliebt. Und ich warte dennoch, warum? Weil ich auf Dzidzia warte, was soll ich draußen tun in diesem beschissenen Judenstädtchen, und am Ende Cor Jesu sacratissimum miserere nobis und Schluss, Schluss, ich hab ausgehalten bis zum Schluss, wie in einer Regimentsmesse in Trembowla, endlich aufatmen und raus, raus, der Priester geht raus, Dzidzia steht auf und geht und ich ihr nach, und um mich herum gehen die graugrüne Uniform und der Mantel und der Gürtel mit Halfter und aus der Kirche.
«Wir übernachten hier», sagt Dzidzia draußen.
«Das heißt?»
«Im Pfarrhaus. Es ist schon spät. Ich hab doch gesagt, dass wir nicht im Freien schlafen werden. Regle das.»
Der Pfarrer kommt aus der Sakristei, ohne die bunten Kaplanengewänder, nur in schwarzer Soutane, ich gehe auf ihn zu, er hat keine Angst vor mir. Vorhin hat er Angst gehabt, jetzt nicht mehr, oder vielleicht nicht mehr so viel.
«Wir werden im Pfarrhaus schlafen», sage ich.
Der Priester nickt nur zur Bestätigung, dass er das gehört hat, eine Zustimmung wird von ihm nicht verlangt.
«Der Junge soll unsere Sachen aus dem Kofferraum holen», sage ich noch.
Der Priester nickt erneut und lädt uns mit einer Geste, aber wortlos ins Pfarrgebäude ein.
Wir treten ein. Eine ziemliche Unordnung, wie in Polen üblich, aber keine Spur von Krieg zu erkennen – denkt Baldur.
Baldur?
Im Flur der Vikar, er führt uns ins Speisezimmer. Ich reiche ihm Dzidzias Mantel, dann meinen und die Mütze, er hängt sie sorgfältig an die Kleiderhaken und in den Schrank.
Wir nehmen an einem Ende des großen Tisches Platz.
«Das Abendessen wird sehr bescheiden sein, bei uns herrscht fast Hunger.»
«Wir haben Geld», sage ich.
«Nein, nein, vielen Dank, aber nein», sagt der Pfarrer, als er hereintritt. Auch er setzt sich an den Tisch.
Kurz darauf schaut der Junge ins Esszimmer.
«Ihr Gepäck habe ich auf die Zimmer getragen», sagt er leise. Das kluge und traurige Gesicht eines Lehrersohnes.
«Ich möchte bitte getrennte Schlafzimmer», äußert Dzidzia.
Der Vikar und der Pfarrer sehen sich an, wie, erstaunt? Ich weiß nicht.
«Sie können in meinem Zimmer schlafen, und der Herr beim Vikar, wenn Sie diesen Wunsch haben», sagt der ältere Priester.
Die Haushälterin,
Weitere Kostenlose Bücher