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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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lieben, und nicht, weil er sie nicht mit von der Feldpost gesandtem Gold befriedigt.
    Gold, das sie nicht braucht und nicht schätzt, sie schätzt nur seine Augen, seine warmen, weichen Lippen und seine tiefe Stimme, mit der er ihr ins Ohr flüstert, wenn sie nackt im Bett liegen, in ihrem kleinen Zimmer in der Sedanstraße in Schöneberg.
    Doch Sturmführer Merkel weiß das nicht, und er belügt die kleine, arme Bernadette, lügt ihr vor, er habe keine Frau, sagt nichts von der Gestapo, weil er nicht an ihre Liebe glaubt.
    Und deshalb braucht Sturmführer Merkel Geld, für jene Geschenke, auf die seine kleine Telefonistin überhaupt keinen Wert legt.
    Deshalb schweigt Sturmführer Merkel jetzt und sieht eindringlich diesen seltsamen, gutaussehenden Mann im erstklassigen Anzug mit weißem Tüchlein in der Brusttasche an, mit seinem makellosen österreichischen Deutsch und einem Gesicht, aus dem der Sturmführer Selbstsicherheit liest, aber auch Kompromissbereitschaft und Skrupellosigkeit. Sturmführer Merkel glaubt an Gesichter, er glaubt an das geheime Alphabet der Proportionen von Augen, Nase, Mund.
    Du weißt das alles nicht, Kostek, aber ein bisschen ahnst du es.
    «Die Liebe hat ihren Preis, Herr Willemann», sagt Sturmführer Merkel.
    Verstehe schon. Ja, wie hatte ich das außer Acht lassen können? Ich stimme mit einem Lächeln zu. Ja, sie hat ihren Preis, und wir alle zahlen ihn auf die eine oder andere Weise, unvermeidlich.
    «Ja, also wie viel?», frage ich lächelnd.
    In Sturmführer Merkels Kopf arbeitet es fieberhaft, er will nicht übers Ziel hinausschießen, aber noch weniger zu kurz greifen, am Ende nennt er einen Betrag, bitte sehr:
    «Zweitausend Dollar müssten reichen.»
    Erst jetzt macht er sich Gedanken: Wird er diese Entlassung durchsetzen können? Selbst wenn er die Hälfte des Bestechungsgelds weiterreicht, nach oben – wird er es schaffen? Ungern würde er diesen netten Warschauer Deutschen mit dem wie geschnitzten Unterkiefer und den blassblauen Augen, die ihn an die Augen Bernadetts erinnern, hintergehen. Also gelobt er sich: Selbst wenn er drei Viertel des Geldes weitergeben müsste, diese Entlassung wird er durchsetzen.
    Doch wir versprechen nach unserer Hoffnung und halten Wort nach unserer Furcht. Das notierte ein französischer Fürst, der seit dreihundert Jahren tot ist, aber was macht das.
    «Wird gemacht», sagt mein schöner, geliebter Kostek und erhebt sich mit der Sachlichkeit des Militärs, erhebt sich und will das Gespräch nicht ungebührlich in die Länge ziehen, da alles gesagt ist, was gesagt werden musste.
    Sturmführer Merkel steht sofort höflich auf, sie verabschieden sich mit einem Händedruck.
    Als Konstanty schon an der Tür ist, lässt der Sturmführer den deutschen Gruß vorschnellen, straff wie eine Erektion.
    Und was soll ich jetzt tun, fragt sich Konstanty, ich frage mich, was ich tun soll, ist das nicht ein weiteres Glied in der Kette meines Verrats, nicht vergessen, wer ich wirklich bin, um Gottes willen, ich spiele den Deutschen erst seit ein paar Stunden und fürchte schon zu vergessen, wer ich bin.
    Doch was ist überhaupt Verrat? Um jemanden oder etwas außer sich selbst zu verraten, müssten wir erst glauben, dass da etwas existiert außer uns selbst, und daran ist schwerer zu glauben als an Gott, so schmerzlich und bitter ist die menschliche Einsamkeit, jede Einsamkeit, die Einsamkeit des Einsiedlers, die Einsamkeit der Mutter von fünf Kindern, die Einsamkeit des von Freunden umflatterten Bonvivants und die des Soldaten im Schützengraben.
    Wer denkt das? Denke ich das oder du, Kostek? Eher ich, aber wir sind ja verbunden, also denkst auch du ein bisschen so, nicht wahr?
    Ich werfe die Hand zum Gruß hoch wie den Lauf der Flugabwehrkanone.
    «Heil Hitler», sage ich und lege einen leicht sarkastischen Ton in meine Stimme, schließlich haben wir eben ein Schmiergeld vereinbart, da kann man schwerlich ernsthaft mit dem Hitlergruß um sich werfen.
    Der bezaubernde Gestapomann scheint zu verstehen, denn er zwinkert mir zu, während er sich setzt.
    Ich gehe hinaus in die Stadt, die jetzt im doppelten Sinne nicht mehr meine ist.
    Von zu Hause werde ich Jacek anrufen und ihm die gute Nachricht mitteilen, also kehre ich heim, ohne Eile.
    Unterwegs bekomme ich jedoch Appetit. In der Wohnung habe ich nichts, das Café ist geschlossen, also gehe ich zu Lardelli, den Umweg nehme ich in Kauf.
    Drinnen sitzen sie unter Palmen, als wäre überhaupt kein Krieg, an

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