Morphium
sein könnten.«
»Gern. Da ist einmal Mrs Parkinson und die alte Nelly, und dann das arme Wesen, das nicht ganz richtig im Kopf ist – für die alle wird es ein Segen sein.«
Schwester Hopkins und Elinor räumten die Sachen weg, dann gingen sie miteinander hinauf.
In Mrs Welmans Zimmer lagen Kleidungsstücke sauber zusammengefaltet in Stößen: Wäsche, Oberbekleidung, samtene Schlafröcke, ein Bisampelz. Letzteren, erklärte Elinor, wolle sie Mrs Bishop geben. Schwester Hopkins nickte.
Sie sah, dass Mrs Welmans Zobel auf der Kommode lag. Den lässt sie sich selbst herrichten, vermutete sie.
Sie warf einen Blick auf die hohen Schränke und überlegte, ob Elinor wohl jene Fotografie mit der Aufschrift »Lewis« gefunden habe, und wenn ja, was sie sich dabei gedacht habe.
Komisch, dachte sie, wie der Brief O’Briens sich mit meinem gekreuzt hat! So etwas hätte ich mir nie träumen lassen, dass sie gerade an dem Tag auf die Fotografie stoßen würde, an dem ich ihr von Mrs Slattery schrieb.
Sie half Elinor die Kleider sortieren und erklärte sich bereit, für die Verteilung zu sorgen.
»Ich kann das tun, während Mary ins Pförtnerhaus geht und dort fertig macht; sie hat nur noch eine Schachtel Papiere durchzugehen. Wo ist das Mädel übrigens? Ist sie zum Pförtnerhaus hinuntergegangen?«
»Ich ließ sie im Frühstückszimmer…«, sagte Elinor gleichgültig.
»Sie wird doch nicht noch immer dort sein.« Schwester Hopkins sah auf die Uhr. »Wir sind ja schon fast eine Stunde hier oben!«
Sie eilte die Treppe hinab. Elinor folgte ihr. Als sie ins Frühstückszimmer traten, rief Schwester Hopkins:
»Nein, so etwas! Sie ist eingeschlafen!«
Mary Gerrard saß in einem großen Lehnstuhl am Fenster; sie war ein wenig darin zusammengesunken. Ein seltsames Geräusch war im Zimmer zu hören: schweres, röchelndes Atmen.
Schwester Hopkins ging hinüber und schüttelte das Mädchen.
»Wachen Sie auf, meine Liebe – «
Sie brach ab, beugte sich nieder, zog an einem Augenlid. Dann begann sie das Mädchen in grimmigem Ernst zu schütteln.
Sie wandte sich Elinor zu. Es lag etwas Drohendes in ihrer Stimme, als sie sagte:
»Was heißt das?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen, ist sie krank?«
»Wo ist das Telefon? Versuchen Sie so schnell wie möglich Dr. Lord zu erreichen.«
»Was ist denn los?«
»Was los ist? Das Mädel ist krank. Es liegt im Sterben.«
Elinor trat einen Schritt zurück.
»Im Sterben?«
Schwester Hopkins sagte langsam:
»Sie ist vergiftet worden…«
Dabei sah sie Elinor durchdringend an. In ihrem Blick lag ein schwerer Verdacht.
8
H ercule Poirot, den eiförmigen Kopf leicht zur Seite geneigt, die Augenbrauen fragend gehoben, beobachtete den jungen Mann, der wild im Zimmer auf und ab lief und dessen sympathisches, sommersprossiges Gesicht in bekümmerte Falten gelegt war. Schließlich fragte er:
»Eh bien, mein Freund, was bedeutet all das?«
Peter Lord hielt in seinem Lauf inne.
»Poirot, Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der mir helfen kann. Ich habe Stillingfleet von Ihnen reden hören, er hat mir erzählt, was Sie im Fall Benedict Farly gemacht haben, als jedermann dachte, es sei Selbstmord, und Sie bewiesen, dass es ein Mord war.«
»Haben Sie denn einen Fall von Selbstmord unter Ihren Patienten, über den Sie sich nicht klar sind?«
Peter Lord schüttelte den Kopf. Er setzte sich Poirot gegenüber und erklärte:
»Es handelt sich um ein junges Mädchen. Sie ist verhaftet worden und des Mordes angeklagt! Ich möchte, dass Sie Beweise finden, dass sie es nicht getan hat!«
Poirots Augenbrauen hoben sich noch ein wenig höher. Dann fragte er in betont diskreter und vertraulicher Art:
»Sie und diese junge Dame – Sie sind verlobt – ja? Sie sind ineinander verliebt?«
Peter Lord lachte – es war ein scharfes, bitteres Lachen.
»Nein, so ist das nicht! Sie hat den schlechten Geschmack, einen langnasigen, hochmütigen Esel mit dem Gesicht eines melancholischen Pferdes mir vorzuziehen! Dumm von ihr, aber es ist mal so!«
»Ah, ich verstehe.«
»Ja, Sie verstehen ganz richtig! Sie brauchen gar nicht so taktvoll zu sein. Ich habe mich nun mal in sie verliebt, und deshalb will ich sie nicht hängen sehen. Verstanden?«
»Wie lautet die Anklage gegen sie?«
»Sie ist angeklagt, ein Mädchen namens Mary Gerrard ermordet zu haben, indem sie es mit Morphium vergiftete. Sie haben wahrscheinlich den Bericht über die Leichenschau in den Zeitungen
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