Morphium
liebte weiße Rosen. Ich sagte, das wären keine wirklichen Rosen – sie duften nicht einmal! Ich liebte rote Rosen, groß und dunkel und samtig und nach Sommer riechend… Wir stritten ganz blödsinnig. Sehen Sie, das kam mir alles wieder in den Sinn – dort in der Anrichte – und etwas – etwas zerbrach in mir – der finstere Hass, den ich im Herzen gehabt hatte – verschwand, als ich mich erinnerte, wie wir als Kinder zusammen waren. Ich hasste Mary nicht mehr. Ich wünschte ihr nicht mehr den Tod…« Sie hielt inne. »Aber dann, als wir ins Frühstückszimmer zurückkehrten, da lag sie im Sterben…«
Sie schwieg. Poirot schaute sie durchdringend an. Sie wurde rot und sagte:
»Wollen Sie mich wieder fragen – ob ich Mary Gerrard tötete?«
Poirot erhob sich.
»Ich werde Sie – nichts fragen. Es gibt Dinge, die ich nicht wissen will…«
19
D r. Lord empfing Hercule Poirot auf dem Bahnhof und sagte gleich:
»Ich habe mein möglichstes getan, um Antwort auf Ihre Fragen zu bekommen. Erstens, Mary Gerrard reiste am 10. Juli von hier nach London. Zweitens, ich habe keine Haushälterin – ein paar dumme Mädchen sorgen für das Nötigste. Sie müssen Mrs Slattery meinen, die Haushälterin meines Vorgängers Ransome. Ich kann Sie noch heute Vormittag hinbringen, wenn Sie wollen, ich habe sie gebeten, zu Hause zu sein.«
»Ja, ich glaube, es wäre gut, wenn ich sie zuerst sprechen würde«, entgegnete Poirot.
»Dann sagten Sie, Sie wollten nach Hunterbury. Ich könnte mit Ihnen kommen. Ich begreife sowieso nicht, warum Sie nicht längst dort waren. Ich hätte gedacht, dass das erste, was in einem solchen Fall zu tun wäre, ein Besuch an dem Ort, wo das Verbrechen stattfand, sein würde.«
Seinen Kopf ein wenig schief haltend, fragte Hercule Poirot:
»Warum?«
»Warum?« Peter Lord brachte diese Frage etwas aus der Fassung. »Ist das nicht üblich?«
»In meinem Beruf kann man nicht nach einem Lehrbuch vorgehen! Man benützt seinen natürlichen Verstand.«
»Sie könnten dort irgendeinen Anhaltspunkt finden.«
»Sie lesen zu viele Detektivgeschichten«, seufzte Poirot. »Die Polizei in diesem Land ist bewundernswert. Ich zweifle nicht, dass sie Haus und Garten höchst sorgfältig durchsucht hat.«
»Nach Beweisen gegen Elinor Carlisle – nicht nach Beweisen für ihre Unschuld.«
»Mein lieber Freund – Ihre Polizei ist kein Ungeheuer. Elinor Carlisle wurde verhaftet, weil genügend Beweise gefunden wurden, um Anklage gegen sie zu erheben – eine gut begründete Anklage, möchte ich meinen. Es wäre nutzlos, wenn ich dort Nachforschungen anstellen würde, wo die Polizei schon alles durchgekämmt hat.«
»Aber jetzt wollen Sie doch noch hingehen?«, wandte Peter ein.
Hercule Poirot nickte.
»Ja – jetzt ist es notwendig. Denn jetzt weiß ich genau, was ich suche. Man muss mit dem Gehirn verstehen, bevor man seine Augen gebraucht.«
»Also denken Sie doch – dass – etwas – noch dort sein könnte?«
Poirot sagte sanft:
»Ich habe eine kleine Idee, dass wir etwas finden werden – ja.«
»Etwas, um Elinors Unschuld zu beweisen?«
»Ah, das habe ich nicht gesagt.«
Peter Lord hielt plötzlich inne.
»Sie halten sie doch nicht etwa immer noch für schuldig?«
Poirot erwiderte ernst:
»Sie müssen noch etwas warten, mein Freund, bevor Sie von mir eine Antwort auf diese Frage bekommen können.«
Poirot aß mit dem Doktor in einem hübschen Zimmer zu Mittag, dessen Fenster zum Garten hin geöffnet war.
»Haben Sie aus der alten Slattery herausbekommen, was Sie wollten?«, fragte Lord.
Poirot nickte.
»Was wollten Sie eigentlich von ihr?«
»Klatsch! Geschichten von alten Zeiten. Manche Verbrechen haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit. Ich glaube, dieses auch.«
Peter Lord wurde gereizt.
»Ich verstehe kein Wort von dem, was Sie reden.«
Poirot lächelte.
»Dieser Fisch ist wunderbar frisch.«
»Kann sein«, sagte Lord ungeduldig. »Ich habe ihn heute früh selbst gefangen. Hören Sie mal, Poirot, werde ich nichts von dem erfahren, was Sie im Sinn haben? Warum lassen Sie mich im Dunkeln tappen?«
Der andere schüttelte den Kopf.
»Weil es vorläufig noch kein Licht gibt. Immer wieder stoße ich auf die Tatsache, dass es niemanden gab, der Grund hatte, Mary Gerrard zu töten – außer Elinor Carlisle.«
»Das können Sie nicht mit Bestimmtheit wissen. Bedenken Sie, sie war doch längere Zeit im Ausland.«
»Ja, ja, ich habe Erkundigungen eingezogen.«
»Sie
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