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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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beiden stocherte mit seiner Rebasche vor sich in der Luft herum, als taste er nach einem unsichtbaren Hindernis, dann folgte ein greller Lichtblitz. Der Chroner ließ den Zeiger fallen, als hätte er einen heftigen Stromschlag erlitten, und vollführte fluchend ein Tänzchen. Sein Artgenosse musste indes tatenlos mit ansehen, wie Byron das Abflussrohr erreichte und ohne zu zögern hineinkroch.
    Das hieß: fast tatenlos. Als die beiden Aufseher den Schwarzen im Rohr verschwinden sahen, begannen sie, kleine ovale Gegenstände auf mich herabzuwerfen, die aussahen wie schwarze Hühnereier. Sekunden später zerriss eine kleine Serie von Explosionen die Luft. Gischtsäulen schossen gen Himmel, ein Regen aus Brackwasser und Dingen, die aus dem Fluss geschleudert worden waren, prasselte auf mich herab. Ich verlor den Halt und stürzte zurück in die Fluten. Eine weitere Explosion drückte mich unter Wasser hart gegen die Felsen und zerriss meine Trommelfelle. In unwirklicher Stille kämpfte ich mich zurück ans Ufer und hinauf bis zum Abwasserrohr, woraus sich mir eine schwarze Hand entgegenstreckte. Ich packte sie, dann wurde ich von Byron in die Finsternis emporgezogen.
    Der Schacht verlief in einem Winkel von gut dreißig Grad aufwärts. Wie weit wir in ihm emporkletterten, konnte ich nicht sagen, da ich ständig abrutschte und es nur Byron zu verdanken hatte, dass ich nicht wieder in den Fluss schlitterte. Ich hörte nicht, ob Byron etwas zu mir sagte, während wir kletterten. Alles spielte sich in vollkommener Dunkelheit und Stille ab. Irgendwann beschrieb das Rohr einen Rechtsknick und verlief horizontal weiter. Ich vernahm dumpfe Laute hinter mir, die sich wiederholten, wie eine Stimme, die immer dasselbe schrie. Im nächsten Augenblick berührten meine Hände direkt vor mir etwas Großes, das sich bewegte. Ich ertastete etwas, das sich wie struppiges Fell anfühlte und eine stahlharte Oberfläche überzog, dann riss mich das in der Dunkelheit verborgene Geschöpf zu Boden. Ein scharfer Schmerz im Bauch ließ mich aufschreien. Kurz darauf war mein gesamter Körper gelähmt. Ich fühlte noch, wie sich ein zäher, klebriger Schleier über mein Gesicht legte, dann nichts mehr.

 

     
     
    Sturm zerrte an Kas Kleidung, als er erwachte und das Geräusch vernahm. Es war allgegenwärtig, schien mit dem Wind zu reiten. Ka kauerte sich zusammen, um sich vor der Kälte zu schützen und dem Sturm wenig Angriffsfläche zu bieten. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit und ließen ihn einen finsteren Spalt erkennen, der in einer freistehenden, von Rost überkrusteten Metallmauer klaffte. Das Rinnsal, das im Quellraum seinen Ursprung hatte, plätscherte leise daraus hervor. In einer Lampe, die in die Mauer eingelassen war, flackerte ein rotes Licht. Die faustgroße Scheibe, die es schützte, war dreckverkrustet.
    Das unbeschreibliche Geräusch veranlasste Ka schließlich, sich umzudrehen. Er lag auf halber Höhe eines Hügels, der in weitem Umkreis die einzige Erhebung bildete, und blickte auf eine Endzeitlandschaft hinab. Unter ihm erstreckte sich eine Ebene aus gepfählten Skeletten; Myriaden von Brustkörben und Schädeln, die sich im Sturm bewegten und unaufhörlich aneinander schlugen wie Knochenxylophone. Die Pfähle überzogen die Ebene von Horizont zu Horizont; menschliche Thoraxe und Schädel so weit das Auge reichte. Lediglich der Bach, der hinter Ka aus dem Spalt rann und von einem knietiefen Graben in die Ebene hinabgeleitet wurde, unterbrach den Knochenwald mit seinen Mäandern, die sich bis zum Horizont schlängelten.
    Ka erhob sich, lief wie in Trance zwei, drei Schritte vorwärts und starrte in die ockerfarbenen, schwerfällig über die Felder treibenden Wolken. Eine Hand legte sich auf Kas Schulter und ließ ihn herumfahren. Hinter ihm standen drei weitere Menschmaschinen; offenbar ein Wachtrupp jener Erzenen, von denen Phalet gesprochen hatte. Zwei von ihnen waren in einem derart bedenklichen Zustand, dass Ka an ihrer Funktionsfähigkeit zweifelte. Sie schienen keinen Schritt mehr gehen zu können, ohne in lose Schrotthaufen zu zerfallen. Über den verrotteten Rückständen synthetischer Haut trugen sie die Reste fremdartiger Uniformen, auf deren linker Brustseite jeweils eine Nummer prangte; im Falle der Maschine, die Ka gegenüberstand, lautete sie EL-04. Die Nummern der beiden Übrigen waren EL-77 und EL-1022. Eine von ihnen führte ihren linken Arm und einen zusätzlichen Kopf aus Metall

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