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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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hatte. Es hatte eine Karte mit einer Zahl enthalten, die der Pilot als Chiffrenummer bezeichnet hatte. Und er hatte gesagt, ich solle sie nicht verlieren, sie sei wichtig. Spindario hatte mir den Umschlag mit der Ziffer damals zwar nicht mehr ausgehändigt …
    Ich wühlte in meinem Gedächtnis, dann führte ich die Noxe in jene Vertiefungen ein, die ich als Kontaktbuchten für die Zahlen 6 3 9 0 2 vermutete. Keine Primzahl, schoss es mir durch den Kopf, als ich die Pyramide aus der letzten Vertiefung zog. Das Geräusch, das nach Sekunden gespannter Stille ertönte, klang wie Musik in meinen Ohren: Ein raues Schaben, als rieben zwei riesige Mühlsteine gegeneinander. Im nächsten Augenblick explodierte vor meinen Augen ein vertikaler Lichtstreif, der breiter und breiter wurde, bis ein Mensch mühelos hindurchschlüpfen konnte. Ich blickte hinaus in ein grelles, weißes, formloses Glühen.
    Ehe ich den Mut fand, einen ersten zaghaften Schritt in das Leuchten zu tun, erfasste mich ein kräftiger Sturm. Er fuhr mir in den Rücken, trieb mich auf das offene Lichttor zu und fegte mich hinaus in das weiße Nichts. Ich landete auf weichem, nachgiebigem Boden, die Noxe fest an mich gepresst. Hinter mir krachte das Portal mit einem ohrenbetäubenden Schlag zurück ins Schloss.
    Dichter Wolkendunst umgab mich. Im ersten Moment konnte ich nicht glauben, den Komplex verlassen zu haben. Mit dem langsam aufkeimenden Bewusstsein, der Finsternis des Monolithen entkommen zu sein, erhob ich mich und stolperte in die Leere. Bald hatte der Dunst den Schatten des riesigen Gebäudes verschluckt. Mit jedem Schritt wurde die Luft kühler, was bedeutete, dass ich mich vom Zentrum des Nebels entfernte. Aber was erwartete mich, wenn ich die Grenze der Wolke erreichte? Was lag unter mir? Jene Schetit- Scheinwelt, die aus meinen verblassenden Erinnerungen erschaffen wurde? Das Inferno? Die Realität? Das menschenleere Zerrbild meiner eigenen Welt, die ich in Bukarest zurückgelassen hatte? Das Nichts?
    Ein gedrungener Schatten tauchte vor mir auf, verwaschen erst, dann immer deutlicher: Archons Flugzeug! Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, lief schneller, rannte schließlich auf die vermeintliche Illusion zu, bis ich mit voller Wucht gegen sie prallte. Blut schoss mir aus der Nase und aus den aufgeplatzten Lippen. Meine Hände strichen über das kühle Metall, über die Flügel, über das Glas der Kanzel; alles war real! Die Luke stand noch immer offen, als hätten wir die Maschine erst vor kurzem verlassen. Ich kletterte an Bord und warf einen Blick ins Cockpit: Es war leer.
    Und nun, Krispin? Willst du das Ding etwa alleine fliegen? Und falls ja, wohin soll die Reise gehen – in den Himmel?
    Ich lief zurück in den Laderaum und schloss die Luke, dann ließ ich mich auf dem Pilotensitz nieder und studierte die Avionik. Im Grunde gab es keine. Jeder Dieseltraktor besaß ein reichhaltigeres Instrumentenbord als Archons Flugvehikel. Vor mir befanden sich das Steuerhorn, ein blauer und ein roter Knopf (für den Himmel und für die Hölle?), ein halbes Dutzend verschiedenfarbiger Lämpchen und der Geschwindigkeitsregler. Es sah aus wie ein Hi-Fi-Verstärker mit Lenkung.
    Ich drückte auf den blauen Knopf. Nichts passierte. Genauso wenig bewirkte der rote Knopf. Archon schien der Einzige zu sein, der in der Lage war, diesen geflügelten Schrotthaufen in Bewegung zu setzen. Alle meine Versuche, dem Motor auch nur ein Räuspern zu entlocken, waren vergebens.
    Tja, Krispin, spottete Giza in meinen Gedanken, du hast das Zauberwort vergessen.
    Der sinnvollste Weg, der Duat zu entkommen, erschien mir, wieder auszusteigen und so lange geradeaus zu rennen, bis ich die Grenze der Wolke erreichte und in die Tiefe stürzte. In einem Anflug naiver Zuversicht zog ich schließlich die Noxe aus der Tasche. Planlos betrachtete ich die eingravierten Schriftzeichen, dann platzierte ich das Artefakt wie einen heiligen Fetisch auf dem Armaturenbrett. Das Ergebnis war gleich null. Ich hätte genauso gut ein Duftbäumchen aufhängen können.
    »Zum Teufel damit!«, entfuhr es mir. In meiner Wut und Enttäuschung schlug und trat ich gegen die Steuerkonsole, bis meine Fäuste bluteten und meine Füße schmerzten. Mutlos steckte ich die Noxe wieder ein, dann sank ich resignierend über dem Steuer zusammen.
    »Kematef …!«
    Wie aus weiter Ferne drang der Ruf an meine Ohren und ließ mich aufschrecken. Angestrengt lauschend blickte ich in das formlose Weiß jenseits

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